Auf Wiedersehen, Indonesien

Ein Abschied naht, einmal mehr. Näher und näher kommt der Tag, an dem nicht nur unsere wunderbare Zeit in Indonesien zu einem Ende kommt, sondern wir auch unseren geliebten Überlandweg gegen den Luftweg tauschen müssen. Wie weit man doch auf dem Landweg kommen kann! Das hätten wir vor Jahren selber nicht gedacht und Veloreisenden in Indonesien wohl genau dieselben Fragen gestellt, die heute an uns gerichtet werden: Woher habt ihr denn eure Velos? Von Zuhause. Europa. Schweiz. Was kostet denn das, die Velos im Flugzeug mitzufliegen? Das wissen wir nicht, wir sind nicht geflogen. Erstaunen. Ja wie denn?? Wir sind via Land- und Seeweg von Südostasien gekommen. Fassungslosigkeit. Und oft endet das Gespräch dann, weil unsere Gesprächspartner meinen da muss ein Missverständnis in der Kommunikation vorliegen oder sie halten uns für nicht ganz zurechnungsfähig. Wir lassen es mittlerweile bleiben mit einer genauen Angabe. So wie ganz zu Beginn der Reise, als wir noch am Rhein entlang fuhren und Miguel einer Dame auf ihre Frage Wohin wollt ihr? antwortete nach China. Und sie ihn perplex ansah, aufstand und ging. Wir änderten damals unsere Antwort auf Istanbul. Nun, am anderen Ende angekommen, wirkt die Antwort aus der Schweiz genauso unfassbar und wir sagen nur noch Jakarta, vielleicht Singapur oder Thailand.

Relaxed ist, wer mit dem Fahrrad unterwegs ist. Rikschafahrer wartet auf Kundschaft

Relaxed ist, wer mit dem Fahrrad unterwegs ist. Rikschafahrer wartet auf Kundschaft

Jetzt aber müssen wir dennoch das erste Mal mit unseren Velos in die Luft, uns in vier Stunden nach Bangkok fliegen lassen. Eine Überschallgeschwindigkeit für unser gewohntes Schneckentempo. Der erste Landeswechsel für uns, der nicht befahren werden kann und uns einen sanften Start im neuen Land ermöglicht. Wir müssen zugeben, dass uns die Transportmethode, mit der wir nun Indonesien verlassen werden, nicht wirklich Freude macht. Dafür fällt nun der Transport mit dem Schiff weg: Fast 100 Stunden verbrachten wir in Indonesien auf Booten, die mal mehr, mal weniger seetauglich schienen. Da waren wir jedes Mal wieder froh, Land unter den Füssen und Rädern zu haben. Aber das ist auch ein Teil einer Überlandreise, besonders in einem Inselstaat wie Indonesien.

Eine der vielen Autofähren die zwischen den Inseln verkehren

Eine der vielen Autofähren die zwischen den Inseln verkehren

Trotz ungemütlichen Schifffahrten verlassen wir Indonesien nur ungern. Nach fünf Monaten nehmen wir nun Abschied von diesem Land. Fünf Inseln haben wir beradelt und jede war anders. Das ist genau das, was uns an Indonesien so fasziniert: Diese Vielfalt an Landschaften, Kulturen und Religionen. Nie bekommt man das Gefühl, alles gesehen zu haben. Und wenn doch ansatzweise, dann muss man nur eine Insel weiter ziehen, wo alles wieder anders ist. An den imposanten Vulkanen konnten wir uns kaum sattsehen und waren stets froh um unser langsames Tempo, um die Vulkane wieder und wieder zu betrachten. Der Lebensstandard nahm von Insel zu Insel ab, je weiter östlich wir kamen. Dafür nahm die Trockenheit zu und die Inseln wurden karger. Landschaftlich ist Indonesien für uns eines der schönsten Länder in Südostasien.

Indonesien fasziniert uns auch landschaftlich.

Indonesien fasziniert uns auch landschaftlich.

Reisfelder prägen vielerorts das Bild

Reisfelder prägen vielerorts das Bild

Aber besonders die Vulkane haben es uns angetan - teilweise konnten wir die geballte Naturgewalt beinahe spüren

Aber besonders die Vulkane haben es uns angetan – teilweise konnten wir die geballte Naturgewalt beinahe spüren

Hier spürten wir den Vulkan tatsächlich - Ausbruch des Vulkan Raung (3'332m), Java

Hier spürten wir den Vulkan tatsächlich – Ausbruch des Vulkan Raung (3’332m), Java

Vulkan Ebulobo (2'124m), Flores

Vulkan Ebulobo (2’124m), Flores

Vulkan Inerie (2'245m), Flores

Vulkan Inerie (2’245m), Flores

Besonders schwer fällt uns aber der Abschied von den Menschen hier, die so viel Freude, Interesse und Enthusiasmus an unserem Dasein zeigten, dass es je nach eigener Tagesform manchmal fast schon anstrengend wurde. Diese Begeisterungsfähigkeit, die oft auch Erwachsene mit kindlicher Energie an den Tag legten, erfreute uns jeden Tag aufs Neue. Und das Lachen, sowieso und überhaupt immer das Lachen: Noch in keinem Land haben wir so oft und so herzlich mit den Menschen gelacht. Egal welche Situation, ein Lachen hilft sicher immer. Welch bewundernswerte Eigenschaft der Menschen hier! Gewöhnt haben wir uns auch an ihr Stresslevel im Minusbereich, die Gelassenheit, das Schulterzucken – im positiven wie auch im mühsamen Sinn. Die Menschen hier nehmen eine Situation oft, wie sie ist, und denken auch nicht zu sehr darüber nach. Auf eine ganze Gesellschaft wirkt dies sehr entspannend, wirtschaftlich bringt es das Land aber nicht wirklich weiter. Es ist so vieles einfach no problem, ist doch egal. Zwei müde, staubige Veloreisende fragen nach einer Unterkunft? Im Wohnzimmer auf dem Boden sind wir herzlich willkommen. Auf engen, kurvigen Strassen kann uns lange niemand überholen und wir haben eine riesige Kolonne hier uns? No problem, fast aus jedem Auto und Lastwagen winken und rufen uns die Menschen zu wenn sie uns dann überholen können. Keine Spur von “aha, wegen diesen zwei Schnecken konnten wir so lange nicht überholen”. Ein platter Reifen am Hinterrad eines mit Menschen vollbepackten Autos? Egal, die Fahrt geht weiter, holpert halt ein bisschen. Ein überladenes Schiff mit zu vielen Menschen? No problem, es ist nie voll. Im Laden ein Nickerchen machen wenn gerade nichts läuft, der nächste Kunde weckt einen dann schon? Auch hier: No problem. Der Bus wartet und wartet seit Stunden an der Kreuzung und die Fahrt geht einfach nicht los? Ihr ahnt es sicher schon: No problem. Eine unheimlich entspannte Lebenshaltung die man nur übernehmen kann, sonst geht das monatelange Reisen in Indonesien nicht, sondern die eigenen Nerven sind bald am Ende.

Von klein auf gelernt und das Leben lang nicht abgelegt: Diese kindliche Freude und Unbeschwertheit der Indonesier

Von klein auf gelernt und das Leben lang nicht abgelegt: Diese kindliche Freude und Unbeschwertheit der Indonesier

Besonders wer in Indonesien mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, muss viel Geduld und Flexibilität mitbringen

Besonders wer in Indonesien mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, muss viel Geduld und Flexibilität mitbringen

Besonders geschätzt haben wir die Unkompliziertheit der Gastfreundschaft. Es gab kein Aufhebens, kein besonderes Essen für die Gäste, keine Änderung des Tagesablaufs, kein Putzen und Aufräumen, keine Horden von Verwandten die uns auch noch sehen wollten, kein Extra-Programm. Es war jedes Mal einfach bewundernswert unkompliziert und echt. Ein Bett gab es auch nicht immer, manchmal wurde jemand ausquartiert und uns ein Zimmer gegeben, manchmal stand uns auch einfach nur der Wohnzimmerboden zur Verfügung. Aber herzlich Willkommen waren wir überall. Zugute kam uns auch, dass die Menschen in Indonesien früh schlafen gehen und um 6 Uhr wieder aufstehen, was eher unserem Velorhythmus entsprach. Auch die Kommunikation war viel einfacher als in anderen Ländern, denn Bahasa Indonesia ist eine vergleichsweise simple Sprache und so kamen wir sprachlich sogar etwas weiter als unser sonstiger Überlebens-Wortschatz.

In den kleinsten Dörfern erfuhren wir die grösste Gastfreundschaft - einen Schlafplatz zu finden war meist no problem

In den kleinsten Dörfern erfuhren wir die grösste Gastfreundschaft – einen Schlafplatz zu finden war meist no problem

Nach drei Monaten auf den Velos und zwei Monaten in Ubud verabschieden wir uns von diesem wunderbaren Land. Viele nette Menschen haben wir kennengelernt und mit einigen sind wir noch immer in Kontakt. Stets hatten wir das Gefühl, willkommen zu sein und in jeder Situation wurde uns weitergeholfen. Das ist etwas vom Schönsten, was uns ein Land geben kann. Wir hoffen, die indonesische Gelassenheit und das Lachen begleitet uns noch eine lange Weile weiter. Wie der Iran bekommt Indonesien einen besonderen Platz in unserem Reiseherz. Wir kommen wieder, ganz bestimmt.

Reisernte vor unserem Haus in Ubud. Alle Felder werden in mühsamer Handarbeit abgetragen. Meist Frauenarbeit.

Reisernte vor unserem Haus in Ubud. Alle Felder werden in mühsamer Handarbeit abgetragen. Meist Frauenarbeit.

Ein Viererteam drescht die Reishalme und hinterlässt die Reiskörner dem zweiten Team. Hier werden die Körner durch Schütteln vom Rest separiert...

Ein Viererteam drescht die Reishalme und hinterlässt die Reiskörner dem zweiten Team. Hier werden die Körner durch Schütteln vom Rest separiert…

...und danach mit Hilfe vom Wind vom Spreu getrennt. Stundenlang konnten wir dem Treiben auf dem Feld zuschauen. Innerhalb eines Tages haben die Frauen ca. 5 der mittelgrossen Felder abgetragen.

…und danach mit Hilfe vom Wind vom Spreu getrennt. Stundenlang konnten wir dem Treiben auf dem Feld zuschauen. Innerhalb eines Tages haben die Frauen ca. 5 der mittelgrossen Felder abgetragen.

Einige Tage später kommt dann der unangenehme Teil: Das Abbrennen der Reishalme. Die Luftqualität Indonesiens, belastet durch abertausende Motorräder, Abfallverbrennungen an jeder Ecke (alles wird verbrannt, a-l-l-e-s), Brandrodungen und gelegentliche Vulkanausbrüche ist einer der negativen Punkte für das Land.

Einige Tage später kommt dann der unangenehme Teil: Das Abbrennen der Reishalme. Die Luftqualität Indonesiens, belastet durch abertausende Motorräder, Abfallverbrennungen an jeder Ecke (alles wird verbrannt, a-l-l-e-s), Brandrodungen und gelegentliche Vulkanausbrüche ist einer der negativen Punkte für das Land.

Entwicklung der Reisfelder. Drei Bilder im Abstand von je ca. 2-3 Wochen

Entwicklung der Reisfelder. Drei Bilder im Abstand von je ca. 2-3 Wochen

Verpacken der Velos für den Flug - ungern geben wir die treuen Weggefährten in fremde Hände!

Verpacken der Velos für den Flug – ungern geben wir die treuen Weggefährten in fremde Hände!

Am Flughafen Bali. Nun wissen wir auch, wieviel Gewicht wir mit uns rumschleppen: Insgesamt 64Kg Gepäck und je 25Kg pro Velo (inkl. Kisten). Allerdings müssen wir zugeben, dass wir uns in Indonesien noch mit Kaffee eingedeckt haben: 2.2Kg... ;)

Am Flughafen Bali. Nun wissen wir auch, wieviel Gewicht wir mit uns rumschleppen: Insgesamt 64Kg Gepäck und je 25Kg pro Velo (inkl. Kisten). Allerdings müssen wir zugeben, dass wir uns in Indonesien noch mit Kaffee eingedeckt haben: 2.2Kg… 😉

5 thoughts on “Auf Wiedersehen, Indonesien

  1. Ihr zwei Liebe.
    Danke für dä abschliessendi Bricht vo Indonesie. Fascht es halbs Joor händ ihr dört verbrocht und unglaublich viel erläbt. Hoffentlich chönd ihr vo dere “no problem” – Mentalität öppis mitnäh…das hilft eim sicher im Alltag, alles echli gmüetlicher znäh :-).
    Danke au für die wunderbare Vulkan- und Reisfelderfoti…wunderbar!¨
    Und jetzt en gueti Witerreis, wenn au mit Flugzüg und grad ohni Velo…
    Gäbet euch witerhin Sorg und gniesset jede Dag!
    Umarmig

  2. Sali zäme

    Auch ich möchte mich für den letzten Bericht aus Indonesien bedanken.
    Ein Land, das landschaftlich und menschlich doch sehr viel zu bieten hat.
    Da würde ich mich auch wohlfühlen. Immerhin in Bali war ich schon 🙂

    Übrigens, bis vor zwei Tagen hatten wir wunderschönes Herbstwetter. Viel zu warm für die Jahreszeit, aber wir haben es genossen. Nach einem Tag Spätherbst-Wetter, ist gestern Abend der Winter eingekehrt. Sogar ins Flachland entsandte Frau Holle ein paar Schneeflocken 😉
    So ist die Temperatur innert eines Tages von 14°C auf 4°C gesunken.
    Nun freuen wir uns auf die Winterzeit!

    Ich wünsche euch von Herzen, dass ihr auch vom nächsten Land mit offenen Armen empfangen werdet und euch beim Bereisen von Indien wohl fühlt.

    Liebe Grüsse

    Claudia

  3. Wunderschön das Abschiedsfoto von Indonesien mit dem herzigen Vogel im Reisfeld. Danke auch für die Fotos, die mal richtig zeigen, wie so eine Reisverarbeitung von Hand vor sich geht. Danke auch für das neue Bild von “über uns”. Ich sehe schon Nora, du trägst eine indonesische Bluse, oder nicht? Aber schön scheint sie zu sein. Und wie ich sehe, seid ihr schon wieder in Ayuthaya. Geht’s denn wieder hinauf nach Chiang Mai, vielleicht zum Loi Kratong? So viel ich mich erinnere, ist das jeweils im November. Also dann schöne Zeit dort und bliebe Grüsse, und wie immer: hebet Sorg!!!!!
    Mary-Jones

    • Liebe Mary-Jones,
      Die Bluse ist nicht indonesisch sondern indisch, ich habe sie von einer lieben Freundin geschenkt bekommen, zusammen mit dem Oberteil das ich am 24.6. oder am 24.2. trage. Meine einzigen neuen Kleider in diesem Jahr, das ist Rekord! Über unsere Kleider auf den “über uns”-Bildern staunen wir auch immer wieder, so vieles ist nicht mehr dabei (kaputt, nach Hause geschickt etc.). Als nächstes müssen wir uns von meinem gelben Merino T-Shirt verabschieden….die Löcher nehmen überhand.
      Dieses Mal sind wir südlich von Bangkok, im Moment in Prachuap Khiri Khan. Am Donnerstag kommt unser Besuch und wir wechseln in den Westen an die Andamanenküste.
      Liebe Grüsse und dir weiterhin gutes Schreiben!!

  4. Hallo ihr zwei,seit zwei Tagen sind wir in Thailand und haben erst heute euren tollen Bericht gelesen. Wir waren ganz gerührt von der emotionalen Beschreibung . Wieder einmal wurden uns die Augen feucht. Die Fotos sind fantastisch, vielen Dank. Die Länge des Aufenthalts in einem Land macht es aus um wenigstens eine Ahnung von der Kultur zu bekommen. Behaltet so lange wie möglich diese
    Gelassenheit.
    Euch noch eine schöne Zeit, gleich NEBENAN ,
    Wir reisen mit euch weiter.
    Herzlich Gisela&Achim

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