Und da sind wir wieder. Der Hafen von Bandar Abbas wirkt vertraut, der Anblick der Stadt mit den Bergen im Hintergrund auch. Wie wohl wir uns sofort wieder fühlen! Es ist ein überwältigendes Gefühl, zurück zu sein, begrüsst und willkommen geheissen zu werden. Einer der Beamten am Hafen, der etwas Englisch spricht, nimmt sich uns an und stellt den klassischen iranischen Fragenkatalog: Woher, Wohin, Wie lange, Verheiratet, Kinder, Job, Alter. Wie lange haben wir diese Fragen nicht mehr beantwortet! Zu Miguels Alter meint er aber ganz uniranisch direkt 34? But your beard is white! Und lacht, obwohl er 37 ist und zwar noch kein einziges graues Haar hat, sich aber seine Haarpracht schon sehr gelichtet hat. Ja, wir haben sie vermisst die lieben Iraner! Genau solche Gespräche haben uns gefehlt.

…zurück nach Sharjah, wo sich unsere Warmshowers Gastgeber mittlerweile zwei flauschigen Perserkatzen angenommen haben
Die sechs Tage, die wir vor der Abfahrt noch in der VAE verbracht haben, vergehen schnell. Wir schlagen uns nochmals die Bäuche voll mit Kuchen, finden feine Mandelgipfel und Pain au Chocolat, essen libanesisch, Thai, philippinisch und indisch, freuen uns über das schnelle und unzensierte Internet bei unseren Warmshower-Gastgebern, verzweifeln am und im Verkehr und können auch dieses Mal den Lebensstil in den VAE kaum verstehen. Es bleibt dabei, noch nirgends zuvor haben wir uns so unwohl gefühlt und es ist bezeichnend, dass die VAE das erste und wohl einzige Land ist, wo wir nie mit einem Einheimischen (Emirati) geredet noch lokales Essen probiert haben. Denn das wird praktisch nirgends serviert. Als Überraschung entpuppte sich jedoch ein Ausflug nach Abu Dhabi, endlich eine Stadt mit etwas Zentrums-Charakter und Parks. Wir besuchen die schneeweisse Sheikh Zayed Grand Mosque, die 2007 eröffnet wurde. Rund 1’000 Säulen stützen das Dach der Moschee mit ihren 80 Marmorkuppeln. Da wir immer noch in der VAE sind, braucht ein neues Bauwerk selbstverständlich einen Rekord: Im Innern liegt der grösste Perserteppich der Welt. 2’000 Teppichknüpfer brauchten rund zwei Jahre, um ihn fertigzustellen.

…verfügt aber unseres Erachtens über zu viele Stilmischungen wie hier zu sehen. Das können die Iraner und Türken besser, finden wir!
Wir sind froh und irgendwie erleichtert, die VAE hinter uns zu lassen und auf die Fähre zu rollen. Es zieht uns zurück in den Iran. Die Crew der Fähre, die uns mit Handschlag und Lachen begrüsst, erkennt uns noch von der Hinfahrt. Sofort bekommt Miguel wieder Schulterklopfer, lernt den Security Officer kennen (der ihm erzählt, dass der Rekord dieser Fähre 1’200 Passagiere sei – es aber nur gerade 600 Schwimmwesten gäbe!) und freundet sich mit dem Captain an. Die Überfahrt dauert wiederum 11 Stunden, dazu kommen einige Stunden Wartezeit im Hafen von Sharjah und Bandar Abbas.
Am Morgen stehen wir früh an Deck und sehen die iranische Küste immer näher kommen. Langsam tuckert die Fähre auf den Hafen zu und unsere Freude steigt. Im Hafengebäude dauert es lange, bis unsere Pässe geprüft sind, wir von einem Beamten ausführlich befragt werden und dann endlich offiziell einreisen dürfen. Wir stossen unsere Velos aus dem Gebäude in die Sonne hinaus und machen uns auf den Weg ins Stadtzentrum. Alles wirkt bekannt: Die klapprigen, weissen Autos, die Menschen, der chaotische Verkehr, die Frucht- und Gemüseverkäufer am Strassenrand, die Schlaglöcher im Asphalt. Und immer wieder ein Hello Mistäär, how are you? Freundlich wird gehupt, gewunken, neben und hinter uns hergefahren. Und immer wieder hören wir ein Welcome to Iran. Miguel fährt vor mir und meint plötzlich lachend, also s’git grad die volli Dosis Iran zum Afang! Recht hat er, aber wir sind so glücklich wieder hier zu sein.
Eine wichtige iranische Strassenregel habe ich in den letzten sechs Wochen vergessen: Im Kreiselverkehr gilt Rechtsvortritt, das heisst alle die in den Kreisel einfahren, haben Vorfahrt. Ein lautes Achtung von Miguel bringt mich rechtzeitig noch zum bremsen. Der iranische Verkehr ist für uns aber viel angenehmer als der in der VAE, keine rasenden Geländewagen, die uns fast ins Gräbli fahren und uns bei der Kreiselausfahrt ständig den Weg abschneiden. Der iranische Verkehrt stinkt zwar mehr, aber er ist viel flexibler, die Autos leiser und wir auf der Fahrbahn wieder willkommen. Da verzichten wir gerne auf den perfekten Asphalt der VAE.
Auf dem Bazar sehen wir viele Bandari-Frauen, die mit ihrem farbigen Stoffen und den Gesichtsmasken sehr auffällig gekleidet sind. Die Bandari sind ein Volksstamm, der an der Küste des Persischen Golfs lebt. Doch nicht nur die Farben, auch die Geschäftigkeit des Bazars fallen uns auf. Denn am 20. März um exakt 20:27:07pm (iranische Zeit) beginnt der astronomische Frühling und somit das iranische neue Jahr 1393. Die Vorbereitungen fangen aber schon Wochen vorher an, überall wird eingekauft, gehandelt, genäht und gebacken. Zudem wird das ganze Haus geputzt, kaputte Gegenstände entsorgt und neue Kleider gekauft. Norouz, das persische Neujahr, gilt als das höchste Fest im iranischen Kalenderjahr und wird während 12 Tagen gefeiert: Kinder besuchen die Eltern, Verwandte besuchen einander und fast alle haben während zwei Wochen Ferien. Das ganze Land ist während dieser Zeit unterwegs. Am 13. Tag fahren alle ins Grüne zum Picknicken, es soll Unglück bringen, diesen Tag drinnen zu verbringen. Norouz ist kein moslemischer Brauch, sondern stammt mindestens aus der Achämeniden-Zeit, ist also tausende von Jahren alt. Wir sind gespannt, inwiefern Norouz uns beim Reisen bereichert oder vielleicht auch einschränkt. Auf jedem Fall freuen wir uns, nach dem zweisam-einsamen Silvester am 31.12. nun mit den Iranern Neujahr zu feiern!
Lange bleiben wir aber nicht an der Küste in Bandar Abbas, sondern fahren mit dem Nachtbus nach Yazd. Inzwischen ist auch hier Frühling geworden, die Bäume tragen nun grüne Knospen, auch hier liegt eine Geschäftigkeit in der Luft. Viele Läden verkaufen ihre Waren nun auch draussen, Strassenverkäufer sitzen auf den Trottoirs, alle essen Glacé und sind deutlich fröhlicher gestimmt als noch im Januar. Es hat zwar noch nicht 30°C wie am Persischen Golf, aber auch hier ist es viel wärmer geworden seit unserem letzten Besuch. Da haben wir nichts dagegen!
Im Vergleich zum Januar sind auch vermehrt Touristen in Yazd anzutreffen. Besonders viele Deutsche sehen und hören wir. Leider scheinen die wärmeren Monate auch eine andere Art Touristen anzulocken denn ich bin erstaunt und auch ein wenig genervt, dass ich an einem Morgen beim Frühstück die einzige von rund fünf Touristinnen bin, die ein Kopftuch trägt. Und es sitzen auch iranische Familien beim Frühstück, alle schauen sehr pikiert aber die höflichen Iraner und Iranerinnen sagen nichts. Was denken sich diese Frauen dabei? Auch der Frühstücksraum eines Hotels ist ein öffentlicher Raum und somit gilt die Kleiderregel für uns Frauen. Und wer sich nicht mit dieser Kleiderregel abfinden kann, soll doch den Iran nicht bereisen. Auch wenn ich mittlerweile weiss, dass viele Iranerinnen (und auch Iraner) diese Kleiderregeln missbilligen, würden sie niemals ohne Kopftuch am Frühstücksbuffet auftauchen. Warum sich gewisse Touristinnen das erlauben, geht mir einfach nicht in den Kopf.
Wir freuen uns aber, nach den Wochen auf der arabischen Halbinsel wieder vermehrt Frauen zu sehen. Iranerinnen wirken viel selbstbewusster, sitzen oft selbst am Steuer und sind nicht nur Beifahrerinnen, sind auch alleine auf der Strasse anzutreffen und lächeln mir oft freundlich zu. Ich fühle mich gleich wieder wohler. Und immer wieder ergibt sich ein kurzes Gespräch, genau diese Begegnungen haben wir so vermisst. Unglaublich finden wir auch immer wieder die Grosszügigkeit: Die Bäckerjungs in Bandar Abbas wollen für den Stapel Fladenbrot kein Geld, sondern schenken es uns. Wir widersprechen einige Male, es könnte ja Ta’arof sein, aber keine Chance. Mit einem Welcome to Iran geben sie uns zu verstehen, dass sie wirklich kein Geld wollen. Oder der Bäcker in Yazd, der für zwei Tâftoon (rundes Brot, etwas dicker als Fladenbrot) nicht den 10’000 Rial-Schein annimmt, den Miguel ihm hinstreckt (da das Brot meist 10’000 Rial kostet, ca. 0.30 CHF). Nein, er grabbelt in das Bündel Scheine das Miguel in der Hand hält und entnimmt ihm einen 5’000-Rial Schein. Soviel kostet das Brot, nicht 10’000 Rial, scheint er mit seinem Gesichtsausdruck sagen zu wollen. Solche Situationen führen uns immer wieder vor Augen, wie ehrlich die Menschen hier sind. Besonders im Iran, aber auch in den untouristischen Teilen der Türkei sowie auf der arabischen Halbinsel hatten wir selten das Gefühl, einen Touri-Preis zu bezahlen. Es scheint, als ob es im moslemischen Raum eine Ehre wäre, beim Preis nicht zu schwindeln und den Gast mit Respekt zu behandeln. Sicher können wir nicht jeden Preis überprüfen, aber unser Gespür für solche Situationen ist doch durch unsere vielen Reisen recht ausgeprägt. Und alle, die schon mal in Südostasien waren, wissen wie es sich anfühlt, einen Touri-Preis bezahlt zu haben. Da hätten einige den 10’000 Rial-Schein genommen, den ein unwissender Tourist ihm entgegenstreckt.
Wieder haben wir zwei Monate vor uns, um dieses wunderbare Land nochmals besser kennenzulernen. Für die Weiterreise nach Zentralasien fehlen uns aber noch die Visa für drei Länder: Turkmenistan, Usbekistan und Tajikistan. Diese müssen wir in Teheran organisieren und alle drei Botschaften sind bekannt für ihre notorische Unzuverlässigkeit und ständigen Änderungen, was es nun genau für Unterlagen für eine Visumsbeantragung braucht. Am Sonntag starten wir zu unserem „Visa-Run Teil 1“ in Teheran, danach kehren wir nach Yazd zurück und wollen dann mit dem Velo die 500km nach Shiraz fahren. Zudem erwarten wir Anfang April Besuch von meinen Eltern, die für drei Wochen in den Iran kommen! Wir freuen uns riesig, sie am 4. April in Shiraz zu treffen!