Arabia felix

Der Concierge des Hotels in Anzug und Kravatte lässt sich zwar nichts anmerken, aber ich kann mir schon vorstellen was er denkt. Nach zwei Campingnächten in der Wildnis, wo wir uns mangels fliessend Wasser mit gerade mal 2dl kostbarem Trinkwasser pro Person gewaschen haben, sehen wir wohl nicht mehr ganz so frisch aus wie auch schon. Gerade sind wir in der Hauptstadt Muscat angekommen und klappern einige Hotels ab um ein Gespür für Preise und Standards zu bekommen. Im voll verspiegelten Lift kann ich dann das ganze Ausmass meines Zustands betrachten: das dünne Hemd, mehrere Male komplett durchgeschwitzt und wieder getrocknet, könnte ich wohl abends neben das Bett stellen, ohne dass es die aktuelle Form verliert. Wenigstens sind wir dank unseren mehrheitlich aus Merinowolle bestehenden Kleidern gegen unangenehme Gerüche gefeit. So können wir auch wochenlang ohne Waschmaschine auskommen – obwohl der Oman wohl die höchste Dichte an Wasch- und Bügelgeschäften aufweist die wir je gesehen haben. Wir staunen auch immer noch über die blütenweissen, bügelfaltenaufweisenden und wunderbar nach Weichspüler duftenden Dishdashas, die die männlichen Omani traditionellerweise tragen. Und das in einem solch staubigen Land! Angeblich wird die Quaste, also der weisse Zottel der vom Kragen runterbaumelt, morgens in Parfüm getaucht. Naja, dagegen kommen wir uns jeweils doch etwas stinkig vor.

Eines der reinlichsten Völker bisher. Die Omani kleiden sich immer vorbildlich in ihrem massgeschneiderten, blitzsauberen und knitterfreien Gewand

Eines der reinlichsten Völker bisher. Die Omani kleiden sich immer vorbildlich in ihrem massgeschneiderten, blitzsauberen und knitterfreien Gewand

Von den omanischen Frauen sieht man oft nur zwei makellos geschminkte Augen à la 1001 Nacht

Von den omanischen Frauen sieht man oft nur zwei makellos geschminkte Augen à la 1001 Nacht

Unsere Nasen sind im Oman sowieso wieder dauerbeschäftigt. Schwebt nicht gerade ein Omani in seiner Parfümwolke vorbei, riecht es oft nach curryhaltigem Essen. Lustigerweise haben wir keine Ahnung von der hiesigen Küche. Das Land weist eine solch hohe Dichte an Gastarbeitern aus dem indischen Subkontinent auf, dass wir – abgesehen von den einschlägigen Kebabläden – meistens nur indische oder höchstens noch libanesische Restaurants finden. Einzig den omanischen Reis konnten wir zweifelsfrei identifizieren: unter die weissen Reiskörner werden rot und orange gefärbte Reiskörner gemischt, was optisch sehr ansprechend aussieht. Zudem befinden wir uns ja wieder an der Küste und können so den Menuplan, ganz zu Noras Freude, um fangfrische Fischgerichte erweitern.

Ausserhalb der Städte, in den unbewohnten Wüsten- und Steppenlandschaften, bestimmt jedoch der Tod die Geruchs-Hitparade. Ständig steigt uns der süssliche Gestank verwesenden Kadavers in die Nase. Nebst einigen wenigen Schlangen sind es hauptsächlich tote Ziegen, die dafür verantwortlich sind. Anhand der unterschiedlichen Verwesungsgrade zu schliessen werden diese wohl nicht eingesammelt, sondern einfach der Natur überlassen. Naja, wer soll sich schon daran stören? Die überwiegende Mehrheit fährt im klimatisierten Auto vorbei, immun gegen jegliche Einflüsse von aussen. Und Fussgänger haben wir auch noch keine gesehen.

Die Küstenstrasse wird in Richtung Muscat immer wie hügeliger

Die Küstenstrasse wird in Richtung Muscat immer wie hügeliger

Die omanischen Strassenbauer sind manchmal wahre Künstler. Hier stossen wir regelmässig auf steilste wenn auch nur kurze Strassenabschnitte

Die omanischen Strassenbauer sind manchmal wahre Künstler. Hier stossen wir regelmässig auf steilste wenn auch nur kurze Strassenabschnitte

Auch die Temperaturen steigen stetig an und wir schauen uns für die Mittagspausen jeweils wieder nach etwas Schatten um

Auch die Temperaturen steigen stetig an und wir schauen uns für die Mittagspausen jeweils wieder nach etwas Schatten um

Ein weiterer Geruch, welcher hier oft als Lufterfrischer in Hotellobbys und Treppenhäusern sowie natürlich auf den Souks anzutreffen ist, wird für uns wohl ab sofort untrennbar mit dem Oman in Verbindung gebracht: Weihrauch. Weihrauch war bereits in der Antike der begehrteste und teuerste Rohstoff überhaupt und wurde über mehrere Jahrtausende lang hoch gehandelt. Schliesslich brachten auch die drei Könige aus dem Abendland Weihrauch, Myrrhe und Gold zum neugeborenen Messias – die drei wertvollsten Güter der damaligen Zeit. Hochkulturen wie die Ägypter nutzten den aromatischen Duft der “Schweiss der Götter” um die Räume zu heiligen, in denen sie ihre Pharaonen mumifizierten. In griechischen und römischen Tempeln verbrannte man ihn und die Römer nutzten das “Gold, das aus der Rinde tropft” um Stadteinfahrten ihrer Kaiser angenehmer zu gestalten (und wohl auch um den Kloakengestank zu überlagern), wussten sie doch um die Einmaligkeit dieses kostbaren Harzes. Arabia felix – glückliches Arabien nannten sie dessen fernes Herkunftsland, den südlichen Teil der arabischen Halbinsel, noch heute einer der wenigen Orte weltweit, an dem Weihrauchharz gewonnen wird.
Dhofar – die grösste Provinz Omans, liegt im Südwesten des Landes ist bekannt für ihre edlen Mischungen aus Weihrauch, Myrrhe, Sandelholz und Blütenessenzen. Dort wo der Monsun das Land von Juni bis August mit kühleren Temperaturen, Nebel und Nieselregen beschert, wachsen die Weihrauchbäume auf kargem Boden. Jegliche Umsiedelung der Bäume scheiterte, nur gerade in einem Gebiet in Afrika zwischen Nigeria und dem Horn von Afrika konnten die Bäume erfolgreich angesiedelt werden. Hier im Norden Omans, in Muscat, wachsen zwar auch einige Weihrauchbäume, geben aber kein Harz, keine “Tränen Allahs” ab, wie das Sekret hier genannt wird. Lange vor der Seidenstrasse wurde das kostbare Gut von Karawanen über die Weihrauchstrasse durch Jemen und Saudi Arabien ans Mittelmeer geschafft, wo es nach Europa verschifft wurde. Lukrativer Handel mit dem Weihrauch ist heutzutage längers je harziger geworden. Früher wurden 75% des Exports des Oman durch diesen Rohstoff abgedeckt, heute nimmt das Rohöl den grössten Teil ein. Angeblich ist der Baum mittelfristig sogar vom Aussterben bedroht, da er sehr empfindlich gegenüber klimatischen Veränderungen ist.

Auch wir haben eine klimatische Veränderung hinter uns, ist es doch hier an der Küste Omans merklich wärmer geworden als noch im Landesinnern. Auch die Bewohner der Küstenabschnitte sind anders als im Inland, weisen eine wesentlich dunklere Hautfarbe auf und sind gegenüber uns um einiges offener. So sind wir beim Durchfahren der Küstenorte wieder vermehrt mit Zurückwinken und -grüssen beschäftigt. Vor allem am späteren Vormittag, wenn die Männer etwas gelangweilt auf der Schattenseite der Strasse hocken, sind wir eine willkommene Abwechslung. Gegen Mittag schläft dann das Leben bis zum späteren Nachmittag ein, die heissen Stunden des Tages verbringen fast alle zu Hause. Auch die Läden haben dann allesamt geschlossen, was uns zwischen unseren Campingnächten beinahe zum Verhängnis wurde, mussten wir doch unseren Wasservorrat irgerndwo in einem Dorf wieder aufstocken. Trinkwasser im Oman zu finden ist nicht ganz einfach, Brunnen gibt es keine und die unzähligen Wadis die das Land durchziehen sind meist trocken. Bei den aktuellen Tagestemperaturen zwischen 25 und 30 Grad brauchen wir ungefähr 5 Liter pro Person und Tag, inkl. Kochen und Waschen. Das ist weniger als wir zu Hause für eine einzige Klospülung brauchen. Zum Glück treffen wir in rechten Moment auf einen netten Omani, der uns anspricht und zur nächsten Tankstelle weist wo wir Wasser kaufen können. Er wirkt interessierter als die meisten und fragt uns sogar nach dem Woher. Seine nette Einladung zum Mittagessen zu ihm nach Hause müssen wir aber auch nach längerem Intervenieren leider ablehnen, da wir dummerweise gerade gegessen haben und noch einige Kilometer zu fahren haben. Und aus vergangenen Einladungen auch wissen, dass wir als Gäste nicht nur “ein wenig probieren” können. Schade, das wäre sicher eine tolle Erfahrung gewesen und es wird wohl die einzige Einladung im Oman bleiben.

Der Oman ist ein herrliches Campingland und bietet viel Platz zum Wildcampieren

Der Oman ist ein herrliches Campingland und bietet viel Platz zum Wildcampieren

Von diesem Campingspot aus haben wir erneut eine einmalige Aussicht auf die fluoreszierenden Algen, welche bis weit aufs Meer hinaus mit den Sternen um die Wette funkeln.. fantastisch!

Von diesem Campingspot aus haben wir erneut eine einmalige Aussicht auf die fluoreszierenden Algen, welche bis weit aufs Meer hinaus mit den Sternen um die Wette funkeln.. fantastisch!

Mittag in einem Wadi entlang der Küste, leider führen diese kaum je Wasser

Mittag in einem Wadi entlang der Küste, leider führen diese kaum je Wasser

Bevor wir die Hauptstadt errreichen machen wir einige Tage Pause in der Hafenstadt Sur. Die Stadt ist wunderschön gelegen in einer natürlichen Bucht, wo noch heute die hölzernen Dhows, hochseetaugliche Segelboote, gebaut werden, für welche die Stadt bekannt wurde. Ob die Dhows ihren Ursprung in China haben oder ob sie hier in Arabien unter Vorlage der portugiesischen Galeeren entstanden sind, ist umstritten. Die Portugiesen hatten den Oman ja zwischenzeitlich fest im Griff. Im Jahre 1650, nach fast 150 Jahren Vorherrschaft, wurden die Portugiesen schliesslich von den vereinigten Stämmen der Omani vertrieben. Hinterlassen haben sie eine ansehnliche Anzahl an Festungen – fast in jedem mittelgrossen Ort im Oman ist ein solches Fort zu sehen.

Die Hafenstadt Sur...

Die Hafenstadt Sur…

..bekannt für die Schiffswerft, in welcher noch heute die traditionellen Dhows gebaut werden.

..bekannt für die Schiffswerft, in welcher noch heute die traditionellen Dhows gebaut werden.

Die Dhows wurden oftmals für den Handel mit Persien, Afrika oder Indien eingesetzt und sind hochseetauglich

Die Dhows wurden oftmals für den Handel mit Persien, Afrika oder Indien eingesetzt und sind hochseetauglich

Beim Hafen in Sur

Beim Hafen in Sur

Sur ist angenehm überschaubar und noch nicht zu touristisch geprägt

Sur ist angenehm überschaubar und noch nicht zu touristisch geprägt

Schon 20km vor der Stadt begrüsst uns Muscat mit massiven Strassenbaustellen. Die Strassen werden enger und der Verkehr nimmt stetig zu. Der geliebte Pannenstreifen verschwindet schliesslich gänzlich und wir finden uns auf der selben Spur mit den Lastwagen wieder. 5km vor dem Ziel fängt sich Nora dann einen Platten am Hinterreifen ein. Eine grosse Heftklammer hat den Innenschlauch sprichwörtlich an den Aussenpneu getackert, ca. 5 Löcher auf einen Schlag! Und dies nur zwei Tage nachdem an meiner Kette ein Kettenglied gebrochen war. Trotzdem sind wir zufrieden mit der Reparaturbilanz auf über 10 Monate, grössere Schäden hatten wir glücklicherweise noch nicht. Der Schlauch ist schnell geflickt und wir setzen unsere Stadteinfahrt fort. Auch hier fällt uns auf, dass sich die Strassenbauarbeiten einzig auf Spurerweiterungen für den Individualverkehr beschränken. Eine Sonderspur für Bus oder Taxis (von einer Velospur will ich gar nicht reden, haha) ist nicht vorgesehen. Noch nie haben wir solch Auto-fixierte Länder wie den Oman oder die VAE erlebt, der öffentliche Verkehr ist praktisch inexistent.

Reifenpanne #2, kurz vor Muscat

Reifenpanne #2, kurz vor Muscat

Das fiese Baustellenüberbleibsel hat den Schlauch praktisch an den Reifen getackert

Das fiese Baustellenüberbleibsel hat den Schlauch praktisch an den Reifen getackert

Muscat liegt seltsam zerstückelt zwischen rauhen Felsen. Die Altstadt Muscats liegt weit im Nordosten der Peripherie und hat nichts Altes mehr zu bieten. Im Gegenteil, der von der renovierten Stadtmauer umschlossene und von einem unzugänglichem Fort flankierte Stadtteil, abseits vom Rest der Stadt, wird zu einem grossen Teil von dem modernen Palast des aktuellen Sultans bestimmt. Davon abgetrennt durch schroffe Hügelketten ist der Hafenbezirk Muttrah, wo sich auch der Souk befindet. Dieser ist leider, wohl zur Freude der gerade anwesenden Kreuzfahrttouristen, welche sich fleissig mit den typisch omanischen Hüten eindecken, sehr touristisch geprägt. Aber sobald wir etwas ausserhalb des Souks durch die Gassen schlendern, bestimmt das alltägliche Leben der Einwohner die Szene. Coiffeure schnippeln fleissig an den Haaren ihrer Kunden herum, Schneiderläden fertigen massangefertigte Dishdashas für Ihn und Chadors für Sie, aus der Laundry riecht es angenehm nach Weichspüler und dazwischen hackt der Metzger seine Halal-geschlachtete Ziege klein. Kinder rennen umher und kichern wenn sie uns sehen, die mutigen bringen ein How are you? zustande. Auch hier finden sich, nebst den Domino spielenden Omani, Dutzende von Indern und Bangladeshi, Pakistani und Afghani – ein kunterbunter Mix der Nationalitäten. Und auch Frauen sind hier vermehrt anzutreffen, hocken in Grüppchen zusammen oder machen ihre Besorgungen. Inderinnen in ihren bunten Saris, dunkelhäutige Frauen mit afrikanischem Einschlag und dazwischen die Frauen aus dem Oman, teilweise komplett schwarz verschleiert oder mit der traditionellen, aufwändig bestickten Gesichtsmaske, welche nur die Augen freilässt. Nach den vielen durchfahrenen Dörfern in denen wir kaum je eine Menschenseele erblickt hatten, finden wir hier endlich etwas Leben.

Kurz vor Muskat geniessen wir nochmals eine sehr schöne Bergetappe

Kurz vor Muskat geniessen wir nochmals eine sehr schöne Bergetappe

Muscat mit dem obligatorischen Fort

Muscat mit dem obligatorischen Fort

Die Promenade ist sehr gediegen, wir fahren dieser entlang bis zur "Altstadt" Muscats

Die Promenade ist sehr gediegen, wir fahren dieser entlang bis zur “Altstadt” Muscats

Die Altstadt besteht jedoch hauptsächlich aus dem Sultanspalast

Die Altstadt besteht jedoch hauptsächlich aus dem Sultanspalast

Unser Hotel liegt im indischen Bezirk Ruwi, im südlichen Teil der Stadt, während sich der Businessbezirk, wo der Flughafen sowie die Botschaften liegen, im westlichen Teil befindet. Dazwischen befindet sich oft unbebaubares Gelände, was die Stadtteile enorm weit auseinanderzieht und mit 6-spurigen Autobahnverbindungen zu kompensieren versucht wird. Nein, der Oman ist vielleicht nicht das idealste Fahrradland, aber trotzdem haben wir unsere Tour durch den Wüstenstaat sehr genossen.

Übrigens kommt die Muskatnuss zwar nicht von hier, sondern wächst hauptsächlich in Indien, Sansibar und den Molukken, wurde aber tatsächlich nach der hiesigen Hafenstadt Muscat benannt. Dies, da hier der Hauptumschlagplatz des indischen, persischen und arabischen Raums war. Muscat ist arabisch und bedeutet eigentlich “Ort des Fallens” was wohl auf die steilen Berge zurückzuführen ist, die die Stadt umgeben resp. durchziehen.

Unseren Aufenthalt in Muscat haben wir unterdessen genutzt um unsere neuen Visa für den Iran abzuholen. Jawoll, wir reisen wieder zurück in die Vergangenheit, nehmen also irgendwann in den nächsten Wochen die Fähre in umgekehrter Richtung über den Persischen Golf – Iran, here we come again! Neues Zwischenziel: Zentralasien.