Tour de Oman

Staubig meinte Miguel nur, als ich ihn vor Monaten einmal fragte, wie er sich den Oman vorstelle. Staubig?! Also ich hätte eher an Wüstenlandschaften, Oasen, Dattelpalmen, 1001 Nacht, rotbraune Berge, Kamele oder so gedacht. Aber wie Recht sollte er behalten! Denn in unserer ersten omanischen Nacht sitzen wir in unserem Zelt zwischen den Sanddünen, der Wind bläst auch nach Sonnenuntergang noch weiter und der pulverfeine Sand rieselt durch das Moskitonetz in unser Zelt hinein bis der Boden im Innenzelt nicht mehr blau, sondern mit Sand bedeckt ist. Der feine Wüstensand ist tatsächlich wie Staub, macht unsere Haare struppig, das Handling mit den Kontaktlinsen am Morgen sehr unangenehm und findet sich im Abendessen, dem Kaffee und dem Porridge am Morgen. An das Knirschen zwischen den Zähnen müssen wir uns bald gewöhnen. Ja, es ist staubig im Oman und ich lache seither nie mehr über Miguels Vorstellungen von anderen Ländern!

Staubig ists im Oman: ein Sand-Wirbel zieht quer über die Strasse

Staubig ists im Oman: ein Sand-Wirbel zieht quer über die Strasse

Camping in der Wüste, bei starkem Wind eine Herausforderung

Camping in der Wüste, bei starkem Wind eine Herausforderung

Der Wind hört nicht auf und wird zu unserem Begleiter im Oman, mal als Freund und mal als Feind. Am zweiten Tag schiebt er uns in Rekordzeit nach Ibri, so dass wir bereits kurz nach dem Mittag mit 105km auf dem Velocomputer ankommen. Wir leisten uns ein Hotelzimmer und entstauben uns und unser Gepäck gründlich. Bei der Handwäsche meiner Kleider denke ich einmal mehr, was für eine tolle Erfindung die Waschmaschine doch eigentlich ist?! Und mit welcher Selbstverständlichkeit wir sie zu Hause benützen.

Unterwegs nach Ibri, wir suchen uns die kleinsten Strassen

Unterwegs nach Ibri, wir suchen uns die kleinsten Strassen

Meistens gibt es jedoch keine Nebenstrassen und wir finden uns auf den Hauptachsen wieder

Meistens gibt es jedoch keine Nebenstrassen und wir finden uns auf den Hauptachsen wieder

War die Standardbegrüssung im Iran noch Hello, which country? heisst es hier Hello, how are you? Die Omani empfangen uns freundlich und wir fühlen uns sehr viel wohler als in den VAE. Die Strassen sind im besten Zustand und verfügen oft über einen grossen Pannenstreifen, so dass wir die Fahrbahn nicht mit den schnellen Geländewagen teilen müssen. Denn auch hier fährt die Mehrheit einen 4×4-Wagen, oft auch als Pickup, mit starkem Motor. Der Verkehr ist daher sehr laut, auch die modernen Hupen schmerzen mit der Zeit in unseren Ohren, vor allem wenn vor lauter Aufregung genau auf unserer Ohrhöhe mehrmals hupend gegrüsst wird! Aber wir müssen zugeben, ohne Auto kommt man im Oman nicht weiter als die Hauptachsen. Es ist nach den VAE ein weiteres Autoland und wir sind – mit Ausnahme von einigen Indern und Bangladeshi – die einzigen mit einem Velo. Etwas weniger Verkehr haben wir uns im Oman doch vorgestellt, vor allem abseits der Hauptachsen. Miguels Lieblingssatz dazu (den ich schon unzählige Male gehört habe!): Es git eifach zviel Auto uf dere Wält.

Immerhin grosszügiger und einigermassen sauberer Pannenstreifen, die Strassenverhältnisse im Oman sind okay

Immerhin grosszügiger und einigermassen sauberer Pannenstreifen, die Strassenverhältnisse im Oman sind okay

Wir freuen uns, endlich wieder grössere Strecken mit dem Fahrrad machen zu können

Wir freuen uns, endlich wieder grössere Strecken mit dem Fahrrad machen zu können

Das Schild lügt nicht...

Das Schild lügt nicht…

...wie wir etwas später feststellen!

…wie wir etwas später feststellen!

Nach den vielen kulturellen Highlights im Iran geniessen wir hier im Oman die wunderbaren Landschaften. Die rotbraunen, zackigen Berge faszinieren uns immer wieder und die vielen Oasen mit ihren hunderten von Dattelpalmen bieten einen schönen Anblick. Uns gefällt es sehr gut in diesem Land, jetzt im Februar ist es auch ideal zum Velofahren da es noch nicht zu heiss ist. Das Campieren ist fast überall möglich, rund eine Stunde vor Sonnenuntergang machen wir uns jeweils auf die Suche nach einem Platz. Und am Morgen bei blauem Himmel und Sonne das Zelt zu öffnen, den Velos Guten Morgen zu sagen und dann einen Kaffee zu brauen….gibt es etwas Schöneres? Wir geniessen die Freiheit, wieder jeden Tag so weit fahren zu können wie wir wollen und uns dann in die Büsche zu schlagen. Erstaunlich schnell sind wir aber unterwegs, oftmals sind die Strecken sehr flach, auf dem perfekten Asphalt rollt es sich prima und so fliegen die Kilometer nur so dahin.

Die Bienenkorbgräber um Al Ayn sind einige tausend Jahre alt. In einigen wurden Überreste von bis zu 200 Toten gefunden.

Die Bienenkorbgräber um Al Ayn sind einige tausend Jahre alt. In einigen wurden Überreste von bis zu 200 Toten gefunden.

Nach der sandigen Nacht in der Wüste suchen wir uns fortan Campingplätze mit steinigem Untergrund, wie hier bei diesem Wadi

Nach der sandigen Nacht in der Wüste suchen wir uns fortan Campingplätze mit steinigem Untergrund, wie hier bei diesem Wadi

Abseits der Strasse finden sich oft die schönsten Landstriche

Abseits der Strasse finden sich oft die schönsten Landstriche

Suche nach dem optimalen Campingspot

Suche nach dem optimalen Campingspot

Gefunden!

Gefunden!

Auch ein Vorteil des Campierens: Die wunderbare Abendstimmung in der Natur geniessen

Auch ein Vorteil des Campierens: Die wunderbare Abendstimmung in der Natur geniessen

Abendstimmung von unserem Campingspot

Abendstimmung von unserem Campingspot

In Nizwa machen wir einen Tag Pause und besuchen das schöne Fort. Zum ersten Mal seit Kappadokien sehen wir wieder Touristengruppen. Komisch, wieder deutsch und schweizerdeutsch zu hören und alles zu verstehen was andere sprechen! Einige Tage später treffen wir nochmals auf ein Paar aus der Schweiz und wir stellen erst dann fest, dass wir in den letzten fünf Monaten im Iran eine Schweizerin und in Georgien einen Schweizer getroffen haben. Mehr nicht, sehr ungewohnt.

Nizwa, Blick vom Fort auf die Stadt

Nizwa, Blick vom Fort auf die Stadt

Nach Nizwa haben wir während mehreren Tagen Gegenwind und es wird noch einmal staubig. Am landschaftlich schönsten Tag haben wir solch starken Gegenwind, dass auch an Campieren nicht zu denken ist. Zudem brauchen wir dringend eine Dusche. Wir kämpfen uns bis nach Ibra, wo es drei Hotels geben soll. Doch die omanischen Hotels sind nicht immer leicht zu finden, denn sie liegen nie im Stadtzentrum. Im Norden von Ibra findet sich ein billiges Hotel, das jedoch, nun ja, etwas grüselig ist und erst noch Livemusik bis um 3 Uhr morgens hat! Nach unseren Livemusik-Erfahrungen in Serbien (Karaoke!) und Bulgarien (Hochzeit) sind wir also sofort wieder weg und fahren weiter zum zweiten Hotel, das einige Kilometer ausserhalb liegt. Leider ist dieses Closed. Also alles wieder zurück, durch die Stadt hindurch in den Süden, da es südlich der Stadt noch ein drittes Hotel geben soll. Die Beine mögen langsam nicht mehr und als nach der Stadt auf einem Hotelschild noch 5km steht, stoppt Miguel genau davor und muss zuerst sein Notfall-Snickers essen bevor er weiterfährt. Zwischen Einfahrt in Ibra und Ankunft bei diesem Hotel haben wir 30km verfahren, wir sind beide müde und diskutieren nicht lange, obwohl das Hotel so ziemlich ein Abriss ist.

Landschaftlich gefällt es uns sehr im Oman, die braunen Berge mit den grünen Oasen im Vordergrund...

Landschaftlich gefällt es uns sehr im Oman, die braunen Berge mit den grünen Oasen im Vordergrund…

..sind einfach immer wieder schön anzusehen

..sind einfach immer wieder schön anzusehen

Ein paar Tage später planen wir einen easy day und wollen das 25km entfernte Wadi Bani Khalid besuchen. Im Oman ist es unmöglich, ohne eigenes Transportmittel an solche Orte zu gelangen. Unser Transportmittel sind die Velos, daher rollen wir trotz geplantem Pausentag in Richtung Wadi, für einmal ohne Gepäck da wir dies im Hotel gelassen haben. Leider führt die Strasse nach 15km sehr steil in die Höhe, Meter um Meter schnaufen wir rund 5km lang mit einer Steigung von stets mindestens 10% nach oben…die zahlreichen Mash’allah (Oh Gott!), die uns die Fahrer zurufen, können wir gut verstehen. Das Wadi liegt aber nicht auf der Passhöhe, sondern auf der anderen Seite im Tal. Daher geht es nach dem Pass wieder genauso steil nach unten und unsere Mühe wird mit einem wunderschönen Blick auf das Tal belohnt. Die grünen Dattelpalmen vor den braunen, baumlosen Bergen, dazu das kleine Dorf im Vordergrund. Uns gefällt es und wir radeln zur Quelle des kleinen Flusses am Ende des Wadis, wo das Wasser glasklar ist und über 30°C hat…ein schöner Ort, der jedoch auch von vielen Tourgruppen besucht wird. Da wir mit dem Pass noch einen langen Rückweg vor uns haben, bleibt uns leider nicht so viel Zeit im Wadi bis wir wieder zurück müssen. Ja manchmal wäre es besser, mit dem Motorrad oder einem Auto unterwegs zu sein!

Meist ist der Oman flach, aber die Strasse zum Wadi ist unglaublich steil!

Meist ist der Oman flach, aber die Strasse zum Wadi ist unglaublich steil!

Immerhin ist das Wadi wirklich sehr schön und so hat sich die Anstrengung wenigstens gelohnt!

Immerhin ist das Wadi wirklich sehr schön und so hat sich die Anstrengung wenigstens gelohnt!

Zwei Tage später treten wir bei starkem Gegenwind leidend in die Pedalen und versuchen, uns nicht über den Wind zu ärgern. Denn Gegenwind ist nur zu einem gewissen Teil eine Beinsache, der Rest ist Kopfsache. So rollen wir langsam in Richtung Küste und sind überrascht, als plötzlich ein entgegenkommendes Auto uns passiert, dann umdreht und uns nach fährt. Nanu, Verfolger? Nein, die drei Männer in ihrem Lieferwägeli fahren Wasserflaschen zu ihren Kunden und reichen uns einige Flaschen aus dem Fenster. Zwei, vier, sechs….erst als die 10. Flasche auf unserem Gepäck festgebunden ist sind sie zufrieden, winken fröhlich und fahren davon. Und sie fragten nicht einmal nach dem woher und wohin, das war ihnen nicht wichtig. Das Trampen gegen den Wind geht danach trotz schwereren Velos gleich viel einfacher.

Die Omani sind ein freundliches Volk und die Männer sind immer in ihren weissen Dishdasha gekleidet, eine Art langes Gewand. Dieses ist immer sauber und perfekt gebügelt, so dass wir neben ihnen mit unseren meist staubigen und stets ungebügelten Velokleidern wie Dreckspatzen wirken. Auch tragen die omanischen Männer immer eine Kopfbedeckung, entweder eine runde Kappe oder ein Kaschmirtuch. Lustigerweise wollen sie selten wissen, woher wir kommen, sondern immer wohin wir fahren. Mehr wollen sie meistens nicht wissen oder es scheitert an den Sprachschwierigkeiten, da viele nur arabisch sprechen. Viele Inder und Bangladeshi arbeiten im Oman, oft in Hotels, Restaurants, Tankstellen oder Supermärkten, also dort wo auch wir anzutreffen sind. You come cycle Switzerland? fragen sie oft mit ihrem lustigen Akzent. Als wir diese Frage bejahen, bekommen wir gleich einen kräftigen Händedruck, dies ist uns hier schon ein paar Mal passiert. An diesen und anderen Reaktionen merken wir, dass nicht viele Veloreisende auf der arabischen Halbinsel anzutreffen sind.

Kontakte zu den Omanis sind selten...

Kontakte zu den Omanis sind selten…

..auch hier auf dem Kamelmarkt sind es vor allem die Pakistani und Afghani die uns ansprechen

..auch hier auf dem Kamelmarkt sind es vor allem die Pakistani und Afghani die uns ansprechen

Kamelknoten mit vielen Köpfen und Hälsen

Kamelknoten mit vielen Köpfen und Hälsen

Wenig anzutreffen sind hier auch Frauen. Auf den Strassen sehen wir fast nur Männer, wir durchfahren manchmal ganze Dörfer oder kleine Städte, ohne eine Frau gesehen zu haben. Es scheint, als ob die Gesellschaft hier viel stärker nach Geschlecht getrennt ist als im Iran. Auch sind die Männer oft nur mit ihren Söhnen unterwegs, denen sie an der Tankstelle Süssigkeiten oder Chips kaufen. Töchter sind keine zu sehen. Wenn wir Frauen sehen, tragen diese oft den Niqab, den Gesichtsschleier bei dem nur die Augen zu sehen sind.

Eine komische Angewohnheit haben aber die Bewohner der Arabischen Halbinsel, egal ob Mann oder Frau: Es ist hier üblich mit dem Auto vor ein Geschäft zu fahren, zu hupen und zu warten, bis jemand aus dem Laden ans Autofenster kommt. Dann wird die Bestellung aufgegeben und gewartet bis die Ware kommt, dann bezahlt. Egal ob vor einem Coffeeshop, einem Restaurant, einem Einkaufsladen, einer Laundry….es läuft immer genau so ab. Die Person im Auto bleibt in ihrem klimatisierten Auto mit laufendem Motor sitzen und lässt sich bedienen. Staunend haben wir dieses Verhalten schon oft beobachtet. Was bei uns undenkbar und unhöflich wäre, ist hier Alltag.

Nach vielen Tagen mit Gegenwind schaffen auch wir es an die Küste und treffen bei Asilah, dem vorläufig südlichsten Punkt unserer Reise, an den Indischen Ozean. Die wenig befahrene Küstenstrasse in Richtung Norden ist ein wunderschön, wir geniessen die Ruhe nach den vielen stark befahrenen Strassen in den letzten Wochen. Wir fahren bis zu einem kleinen Beach Resort, wo wir unser Zelt aufschlagen und die Dusche benützen dürfen. Das Zelt steht direkt oberhalb des Strandes und bevor wir todmüde in die Schlafsäcke fallen, staunen wir über die fluoreszierenden Algen im Wasser, die in den Wellen immer wieder grün aufleuchten. Das haben wir von Jahren einmal in Neuseeland gesehen und seither nie mehr.

Langzeitbelichtung bei Mondschein von unserem Zeltplatz aus. Im Wasser erkennt man den Schimmer der Algen

Langzeitbelichtung bei Mondschein von unserem Zeltplatz aus. Im Wasser erkennt man den Schimmer der Algen

Blick aus dem Zelt, morgens um 6.45 Uhr. Die Sonne geht auf, Zeit für einen Kaffee!

Blick aus dem Zelt, morgens um 6.45 Uhr. Die Sonne geht auf, Zeit für einen Kaffee!

Am nächsten Morgen verabschieden wir uns vom netten Hotelteam und satteln unsere Velos. Da kommt ein Gast, der mit seiner Familie beim Morgenessen sitzt, auf uns zu und fragt ob er ein Foto von uns machen darf. Wir bejahen und so kommen wir ins Gespräch. Als sich herausstellt, dass er und seine Familie aus dem Iran sind, strahlen wir beide so fest wie seit Wochen nicht mehr und erzählen, dass wir soeben zwei Monate im Iran waren. Die Familie kommt ursprünglich aus Shiraz und lebt nun seit fünf Jahren im Oman. Natürlich fragen sie uns (wie alle Iraner…) What do you think of Iran? Das können wir sehr positiv beantworten aber bei der Frage What do you think of Iranian food? sind wir ehrlich und verziehen nur das Gesicht. Sie lachen und verstehen, was wir meinen. Eine schöne Begegnung, die der Start ist zu einem perfekten Velotag: Eine tolle Strecke, super Asphalt, freundliche Menschen, Sonne, perfekte Temperatur, wenig Verkehr….ja, die 95km nach Sur sind wirklich so perfekt wie schon lange nicht mehr und wir sind einfach nur glücklich, glücklich, glücklich.

Iranische Familie aus Shiraz

Iranische Familie aus Shiraz

Durch die omanische Wüstenlandschaft

Durch die omanische Wüstenlandschaft

Folge der gelben Linie... auf dem Weg nach Sur haben wir kaum mehr Verkehr

Folge der gelben Linie… auf dem Weg nach Sur haben wir kaum mehr Verkehr

Vorbei an verschlafenen Fischerdörfern (in welchen übrigens der beste frische Fetakäse aus Ziegenmilch zu bekommen ist!)

Vorbei an verschlafenen Fischerdörfern (in welchen übrigens der beste frische Fetakäse aus Ziegenmilch zu bekommen ist!)