Goa

Dass Goa sich von anderen indischen Bundesstaat unterscheidet, merken wir bereits an der Grenze: Plötzlich wechselt der Holperbelag zu perfektem Asphalt, Wegweiser gibt es dreimal so viele, weniger Abfall säumt die Strasse und der Geruch von Verwesung steigt uns weniger oft in die Nase. Die ersten Touristen auf Motorrädern kommen uns entgegen, wie immer schon von weitem erkennbar an der wenigen Kleidung die sie tragen. In Palolem, einem kleinen Ort an einer geschwungenen, von Palmen gesäumten Bucht, lassen wir uns nieder. Es ist Hochsaison in Goa und dementsprechend viel ist los. In einem kleinen Guesthouse inmitten von lokalen Häusern finden wir unser persönliches Paradies und kommen Tag für Tag nicht mehr los, bis am Ende aus zwei Nächten zwei Wochen werden. Es bleibt uns viel Zeit, die vergangenen zweieinhalb Monate in Indien Revue passieren zu lassen und uns mental darauf vorzubereiten, dass es bald wieder ein Stück weiter nach Westen geht.

Wir erreichen den Ziel-Bundesstaat Goa nach ca. 2'000km auf indischem Boden.

Wir erreichen den Ziel-Bundesstaat Goa nach ca. 2’000km auf indischem Boden.

Reisfelder sind selten geworden an der Westküste Indiens.

Reisfelder sind selten geworden an der Westküste Indiens.

In Palolem bleiben wir hängen - unter anderem wegen einem fantastischen italienischen Restaurant.

In Palolem bleiben wir hängen – unter anderem wegen einem fantastischen italienischen Restaurant.

Beach in Palolem - viel Platz bei Ebbe

Beach in Palolem – viel Platz bei Ebbe

Der palmengesäumte Strand verfügt zwar momentan über eine Unterkunft nach der anderen, diese werden aber in der low season komplett abgebaut, da keine permanenten Gebäude am Strand zugelassen sind.

Der palmengesäumte Strand verfügt zwar momentan über eine Unterkunft nach der anderen, diese werden aber in der low season komplett abgebaut, da keine permanenten Gebäude am Strand zugelassen sind.

Blickrichtung Westen

Blickrichtung Westen

In Goa ist der portugiesische Einfluss aus der Kolonialzeit deutlich zu sehen. Der Wunsch nach einer Kontrolle des Gewürzhandels führte die Portugiesen 1510 in die Region, wo sie die damals herrschenden Könige besiegten und ihre Hauptstadt in Velha Goa (Old Goa) errichteten. Von dort aus verbreiteten sie ihre Herrschaft und Religion in den ganzen Bundesstaat. Die portugiesische Herrschaft in Goa dauerte 450 Jahre. Auch nachdem Indien 1947 die Unabhängigkeit von England erlangte, dachte Portugal nicht daran, seine Kolonie an Indien abzutreten und lehnte entsprechende Aufforderungen immer wieder ab. Erst 1961 konnte der Einmarsch von indischen Truppen den damaligen portugiesischen Gouverneur dazu bringen, die Kapitulation zu unterschreiben und die Kolonie an Indien abzugeben.

Überreste eines portugiesischen Forts in Goa

Überreste eines portugiesischen Forts in Goa

Das Cabo de Rama Fort liegt auf einer schönen und strategisch idealen Lage auf einer Halbinsel

Das Cabo de Rama Fort liegt auf einer schönen und strategisch idealen Lage auf einer Halbinsel

Heisse Tage - aber wir beschweren uns nicht, es sind die letzten für eine lange Zeit.

Heisse Tage – aber wir beschweren uns nicht, es sind die letzten für eine lange Zeit.

Goa hat noch immer ca. 25% Christen - hier die Immaculate Conception Church im Hauptort Panjim. Dies war der erste Ort den die portugiesischen Seefahrer besuchten, um sich für die lange überstandene Überfahrt zu bedanken - noch bevor sie die Schiffsladung gelöscht hatten.

Goa hat noch immer ca. 25% Christen – hier die Immaculate Conception Church im Hauptort Panjim. Dies war der erste Ort den die portugiesischen Seefahrer besuchten, um sich für die lange überstandene Überfahrt zu bedanken – noch bevor sie die Schiffsladung gelöscht hatten.

In der Altstadt Panjims - viele Häuser sind nach portugiesischem Vorbild gebaut worden

In der Altstadt Panjims – viele Häuser sind nach portugiesischem Vorbild gebaut worden

Altstadt Panjim

Altstadt Panjim

Viele Gebäude sind jedoch in schlechtem Zustand und wurden nicht instand gehalten.

Viele Gebäude sind jedoch in schlechtem Zustand und wurden nicht instand gehalten.

Alte Fassade

Alte Fassade

Auf der Hauptpoststelle Panjim verschicken wir mal wieder ein Paket nach Hause. Mit typisch indischer Bürokratie müssen einige Formulare ausgefüllt, Pässe kopiert und das Paket speziell verpackt werden. Dieser Mann übernimmt diese Anforderungen - gerade hat er ein Stück Stoff von der Rolle links zugeschnitten, per Nähmaschine den Saum abgenäht, das Paket damit eingewickelt und mit Zwirn zugenäht und dann die Nähte mit Siegelwachs versiegelt. Puh!

Auf der Hauptpoststelle Panjim verschicken wir mal wieder ein Paket nach Hause. Mit typisch indischer Bürokratie müssen einige Formulare ausgefüllt, Pässe kopiert und das Paket speziell verpackt werden. Dieser Mann übernimmt diese Anforderungen – gerade hat er ein Stück Stoff von der Rolle links zugeschnitten, per Nähmaschine den Saum abgenäht, das Paket damit eingewickelt und mit Zwirn zugenäht und dann die Nähte mit Siegelwachs versiegelt. Puh!

Einige Kilometer flussaufwärts liegt die alte Siedlung der Portugiesen - Alt-Goa. Der kleine Ort verfügt über mehrere kirchliche Bauten aus der Kolonialzeit.

Einige Kilometer flussaufwärts liegt die alte Siedlung der Portugiesen – Alt-Goa. Der kleine Ort verfügt über mehrere kirchliche Bauten aus der Kolonialzeit.

So zum Beispiel dieses 1661 aus einer Moschee umgebaute Kloster des heiligen Franz von Assisi.

So zum Beispiel dieses 1661 aus einer Moschee umgebaute Kloster des heiligen Franz von Assisi.

Grösstes Gebäude des Ortes und die grösste Kirche Asiens (!) ist die Kathedrale Sé Catedral, welche 1511 von Afonso de Albuquerque gegründet wurde.

Grösstes Gebäude des Ortes und die grösste Kirche Asiens (!) ist die Kathedrale Sé Catedral, welche 1511 von Afonso de Albuquerque gegründet wurde.

Vor der Kathedrale wacht Jesus höchstpersönlich über diese Frauen aus niedriger Kaste, welche in der Mittagshitze von Hand Gras mähen und zusammentragen.

Vor der Kathedrale wacht Jesus höchstpersönlich über diese Frauen aus niedriger Kaste, welche in der Mittagshitze von Hand Gras mähen und zusammentragen.

In dem Ort liegen auch die Gebeine des heiligen Francisco de Xavier, einem der Wegbereiter der christlichen Mission in Asien. Hier im Bild die Kapelle der heiligen Katharina von Alexandrien

In dem Ort liegen auch die Gebeine des heiligen Francisco de Xavier, einem der Wegbereiter der christlichen Mission in Asien. Hier im Bild die Kapelle der heiligen Katharina von Alexandrien

Kulturell wurde Goa wie kein anderer indischer Bundesstaat von seiner Kolonialmacht beeinflusst. Nicht nur die vielen weiss getünchten Kirchen erinnern an die portugiesische Kolonialzeit, auch viele Bauten und Repräsentationshäuser wirken mediterran. Einige Gerichte weisen europäische Einflüsse auf, so wie zum Beispiel Vindaloo, wobei Schweinefleisch mit Wein, Essig, Knoblauch und Gewürzen mariniert wird.

Indien fühlt sich hier anders an, so wie sich Bali nicht so ganz indonesisch anfühlt. Goa wirkt entspannter und ruhiger (für indische Verhältnisse!), Frauen tragen vermehrt westliche Kleidung und nicht Sari oder Salwar Kameez, es liegt weniger Abfall herum und der Verkehr ist ein bisschen weniger chaotisch.

Goa ist in Sachen Kleidung relativ westlich, aber traditionell gekleidete Frauen sind ein tägliches Bild. Viele Frauen lassen übrigens ihre Haare seit Geburt wachsen.

Goa ist in Sachen Kleidung relativ westlich, aber traditionell gekleidete Frauen sind ein tägliches Bild. Viele Frauen lassen übrigens ihre Haare seit Geburt wachsen.

Pünktlich um 8Uhr morgens kommt der Bäcker per Velo vorbei. Mit seiner Hupe macht er sich bemerkbar - wer was kaufen möchte muss schnell sein, sonst ist er vorbei.

Pünktlich um 8Uhr morgens kommt der Bäcker per Velo vorbei. Mit seiner Hupe macht er sich bemerkbar – wer was kaufen möchte muss schnell sein, sonst ist er vorbei.

Morgenstimmung in Palolem - Ladenbetreiber wässern die Strasse um zu verhindern dass Staub aufgewirbelt wird

Morgenstimmung in Palolem – Ladenbetreiber wässern die Strasse um zu verhindern dass Staub aufgewirbelt wird

Palolem

Palolem

Palolem

Palolem

Hinter der relativ touristischen Fassade Palolems steckt noch viel lokales Leben - nur eine Seitenstrasse abseits der Hauptachse

Hinter der relativ touristischen Fassade Palolems steckt noch viel lokales Leben – nur eine Seitenstrasse abseits der Hauptachse

Zweieinhalb Monate waren wir in Indien unterwegs, 2’000 Kilometer sind wir in dieser Zeit geradelt und haben doch nur einen kleinen Teil dieses riesigen Landes gesehen. Indien hat uns fasziniert und gefordert, es ist ein Land, das einem nicht gleichgültig bleibt. Man liebt es und man hasst es zeitweise – das kann auch am selben Tag passieren. Und doch übt es durch seine Intensität eine Faszination aus, die uns erklärt, warum einige immer und immer wieder hierher kommen. Indien ist unvergleichlich und die Gegensätze haben uns oft Mühe gemacht. Extreme Armut und Zurschaustellung von grossem Reichtum. Hervorragende Essensgerüche und uringetränkte Strassenecken. Es bleibt das Gefühl, dass es oft am Durchschnittlichen fehlt, denn die Extreme stechen einem in Indien mehr ins Auge (oder in die Nase!). Relativieren mussten wir auch unser Verständnis von Möglichkeiten, denn vieles, was für unsere Gedanken unmöglich scheint, macht Indien möglich: Einen frischen, noch warmen Kuhfladen vor dem Restauranteingang mit der linken Hand auf einen Karton schaufeln – neben unserem Tisch passiert, als wir ein Mittags-Thali assen. Dass es sich dabei um einen Restaurantangestellten handelte, verdarb uns für einen Moment den Appetit bis wir feststellten, dass der Abräum-Mann (= niedrigste Kaste) sich um die Beseitigung des Fladens kümmern musste. Auch die typisch-indischen Strassenverhältnisse lehrten uns eines Besseren, was möglich ist im Verkehr und liessen uns oft auf den Staubstreifen neben dem Asphalt ausweichen, als ein Bus trotz viel Verkehr und unübersichtlicher Kurve einen LKW überholen musste (der jedoch gerade ein Motorrad überholte)…. in solchen Momenten sahen wir schlicht keinen Platz mehr für uns wenn uns ein Bus auf „unserer“ Spur entgegen kam. Die optimale Platzausnutzung des Verkehrssystems – auf der Strasse und in den Fahrzeugen – scheinen die Inder perfektioniert zu haben. Und doch, dank unserer Liebe zu chaotischen Verkehrssystemen fanden wir den indischen Verkehr trotz allem weniger schlimm als an anderen Orten auf dieser Welt, die gemeinhin als zivilisierter gelten (z.B. VAE). Es ist vieles eine Frage der Perspektive in Indien. Geschätzt haben wir besonders die Hilfsbereitschaft der Menschen, oft wurden wir angesprochen und gefragt, ob alles in Ordnung ist oder ob wir etwas suchen würden. Geholfen hat sicher auch, dass die Kommunikation hier in Indien so einfach war wie noch nirgends: Fast alle sprechen etwas bis sehr gut Englisch, so dass wir uns problemlos verständigen konnten.

Goa ist ein schöner, ruhiger Abschluss von unserer Indien-Tour. Nach den vielen Kilometern auf Indiens Strassen lassen wir nun die Seele baumeln, haben viel Zeit für uns und beide für sich selber, geniessen nochmals die Wärme. Mit Goa heisst es auch Abschied nehmen von den Tropen…nach über einem Jahr in den Subtropen und Tropen sind kalte Temperaturen ein Fremdwort geworden, denn auch nachts wurde es nie kalt. Die Sonne ging für uns über ein Jahr lang um ca. 6 Uhr auf und um ca. 18 Uhr unter, es gab keine Jahreszeiten, nur mehr oder weniger feuchte Gegenden. Auch verabschieden wir uns vom Linksverkehr, der uns von Thailand bis Indonesien und auch hier in Indien begleitete und das Abnormale normal machte. Vermissen werden wir zudem das Essen, das asiatische Gewusel und die emsige Geschäftigkeit, die trotz allem Gelassenheit ausstrahlt. Sowieso, in Sachen Gelassenheit und Toleranz mit Mitmenschen können wir aus dieser Ecke der Welt nur lernen. Ja, der Abschied aus Asien fällt uns schwer, zu gewohnt ist vieles geworden.

Verkäufer in Palolem

Verkäufer in Palolem

Lal ist Saisonarbeiter in unserem Guesthouse - er arbeitet hier 7 Tage die Woche während der Hochsaison. Zwischen April und September kehrt er zurück nach Hause - nach Darjeeling, 70 Stunden per Zug entfernt.

Lal ist Saisonarbeiter in unserem Guesthouse – er arbeitet hier 7 Tage die Woche während der Hochsaison. Zwischen April und September kehrt er zurück nach Hause – nach Darjeeling, 70 Stunden per Zug entfernt.

Auch der Koch eines unserer Lieblingsrestaurants kommt von weit her - Kathmandu, Nepal

Auch der Koch eines unserer Lieblingsrestaurants kommt von weit her – Kathmandu, Nepal

Obwohl wir genaugenommen den asiatischen Kontinent noch nicht ganz verlassen: Wir fliegen nach Dubai, obschon wir eigentlich nie mehr dorthin wollten. Wegen den günstigen Flugtarifen in die Golfstaaten und der Fährverbindung über den Persischen Golf machen wir nun eine Ausnahme. Denn nach einem möglichst kurzen Stopover wollen wir – wir können es nicht lassen – nochmals in den Iran, ein Land, das uns in Gedanken und im Reiseherz nie mehr losgelassen hat. Damit sind wir zwar im Iran wieder auf dem asiatischen Kontinent, aber die Gemeinsamkeiten mit dem Asien, das wir hier vorfinden, sind gering. So verlassen wir nun mit unzähligen Erinnerungen das tropische Asien, freuen uns gleichzeitig aber auch riesig auf die Wüste, das trockene Klima und natürlich den Iran.