Seit fast einer Woche sind wir nun unterwegs und haben schon viele für uns neue Regionen der Schweiz gesehen. Danke für eure lieben Kommentare zu unserem Start! Seit gestern sind wir in Zernez und damit zum ersten Mal im schönen Engadin. Obwohl wir heute einen velofreien Tag planten konnten wir es nicht lassen, das Tal hinunter in Richung Susch, Guarda (Schellenursli’s Heimatdorf), Ftan (Anina’s Heimat :)) zu velölen…zu Fuss war es uns dann doch zu langsam. Und ohne Velotaschen geht es schon fast von selbst! Und selbstverständlich mussten wir auch noch ein Stück Nusstorte und den obligatorischen täglichen Nussgipfel verdrücken – unglaublich wie viel es braucht, um die abgestrampelten Kalorien auszugleichen! Aber damit haben wir ja bekanntlich keine Probleme…vor allem ein Mitglied unserer Reisegruppe nicht 🙂
Ja, irgendwie sind wir jetzt schon weit weg, aber immer noch in der Schweiz. Die Abfahrt von Birsfelden letzte Woche war sehr speziell, ein unglaubliches Gefühl nicht nur von Zuhause, sondern auch vom Alltag davonzurollen. Das Gewicht des Velos war sehr gewöhnungsbedürftig und ich zweifelte ziemlich an unserer verrückten Idee, als das Velo mit jeder Gepäcktasche schwerer und schwerer wurde. Mein Papa Guido (alias Gidiman) setzte sich aber dann auf mein Velo, fuhr eine Runde und meinte, das habe er sich viel schwerer vorgestellt! Hm, sollte dann ja eigentlich für meinen 30 Jahre jüngeren Körper kein Problem sein, nicht?! Und so rollten wir davon, der Fahrtwind trocknete die Tränen, wir gewöhnten uns an die schweren Velos und radelten in Richtung Schweizerhalle. Schon bald kam das Gefühl der Freiheit und als wir beim Kraftwerk Augst-Pratteln das erste Mal über den Rhein fuhren, konnten wir selbst fast nicht glauben, dass wir nun wirklich gestartet sind.
Das Wetter meinte es gut mit uns in den ersten Tagen, wir campierten zwei Mal am Rhein und auf dem 1. Campingplatz hatte ich schon das erste Intermezzo mit einem Hund: Hinter meinem Rücken schiffte dieser graue grosse Zottelhund einfach an meine Velotasche bzw. verfehlte sie glücklicherweise nur knapp!!! Unglaublich, das macht mir diese Tierart nicht sympathischer. Miguel verscheuchte das Zottelvieh und musste lachen, dass das immer mir passiert.
Schöne Orte haben wir am Rhein gesehen: Kaiserstuhl, Diessenhofen, Stein am Rhein….die Velowege waren auch immer perfekt ausgeschildert so dass es easy cycling war. Mit Rückenwind flitzten wir dem Bodensee entlang, nach der Übernachtung in Konstanz war es aber vorbei mit dem schönen Wetter und seither dominiert das typische schweizer Grau…etwas hellgrau, etwas dunkelgrau, etwas Regen, etwas Wind, wolkenverhangene Berghänge (wir haben nicht mal den Säntis gesehen!)….und das nennt sich Frühling in der Schweiz. Nach dem Rheintal und der Bündner Herrschaft (liebe Familie, an unserem Haus in Maienfeld und dem Komminoth Weinbau sind wir vorbeigefahren!) mussten wir uns in Landquart vom Rhein verabschieden und bogen ab ins Prättigau. Nun hatten wir ca. 600 Höhenmeter bis Klosters zu bewältigen, zu Beginn noch Steigungen mit 1-3%, ab Küblis folgten dann Steigungen mit 10-19%…mit unseren schweren Velos kaum noch zu befahren. Wenn in der Mitte des Hanges gar nichts mehr ging und wir anhalten mussten war einfach Game over, es war zu steil um nochmals anzufahren daher mussten wir die Velos stossen. Für mich war auch dies keine Option da ich mein 40kg-Velo nicht einmal einen Zentimeter bewegen konnte, daher stand ich jeweils am Hang, wartete bis Miguel oben war und mir half, das Velo hochzuschieben. Er sorgte für die nötigen Kräfte, ich für die passenden Fluchwörter 🙂
Kurz vor Klosters fing es dann noch an zu regnen und das war dann so der Moment, wo wir uns sagen mussten dass wir dies alles freiwillig machen! Umso dankbarer waren wir dann, als endlich der Bahnhof Klosters in Sichtweite kam und wir ganz erschöpft und durchnässt unsere Velos in die Rhätische Bahn verluden, um durch den Vereinatunnel ins Engadin zu kommen. Die Dusche im Hotel in Zernez war die beste seit langem und der Wegweiser in der Dorfmitte, auf dem das erste Mal „Bozen“ angeschrieben war, sorgte gleich wieder für Aufregung!
Unseren Wädlis und Füdlis geht es überraschen gut, mehr leiden müssen die Oberschenkel, die Handgelenke und die Schultern – aber bis jetzt können wir uns nicht beklagen. Dafür sind wir mit unserem Gepäck die Lastwagen der Velowege – nebst den Mountainbikern oder den flitzigen Rennvelofahrern wirken wir schon etwas wie zwei Panzer auf Rädern. Wenn wir gefragt werden, wohin wir denn unterwegs sind, geben wir zuerst nie so genau Auskunft (in Richtung Graubünden, Südtirol, Osten)…die meisten wollen es dann aber genau wissen und so erleben wir die unterschiedlichsten Reaktionen auf unser Reiseziel Asien („Waaas? Echt?“ Oder: „Toll!“ Oder auch: “Warum macht ihr das?“ Oder so: „Aha und auf Wiedersehen“ (und steht von der Parkbank auf und geht…wahrscheinlich meinte die gute Frau wir seien nicht ganz „bache“).
Morgen geht es dann durch den Nationalpark über den Ofenpass ins Val Müstair…so langsam nähern wir uns der Schweizer Grenze. Bis jetzt haben wir immer noch das Gefühl, ein Schweizer Velotöurli zu machen und bald wieder nach Hause zu kommen, das Gefühl von wirklich für längere Zeit auf Reisen zu sein hat sich noch nicht eingestellt. Es ist auch sehr komisch loszufahren, die Reise zu beginnen und dennoch immer noch von Gewohntem umgeben zu sein.
Liebe Grüsse aus dem Engadin!