Esfahan ist die halbe Welt

Esfahan… ein Städtename, der seit Jahren Reisesehnsucht in mir weckt. Und nun stehen wir auf dem Naqsh-e Jahan Square, staunen über die perfekte Architektur, die detailreiche Verzierung der Moscheen, die Portale der Paläste. Die Wintersonne wirft ein mildes Licht auf die Eingangsportale, deren perfekte Ornamente und Mosaike wir stundenlang betrachten könnten. Familien spazieren über den Platz, immer wieder werden wir begrüsst und willkommen geheissen. Auch nach einer Woche in Esfahan sind wir noch immer jedes Mal beeindruckt, wenn wir den Platz betreten. Esfahan, nesf-e jahan – Esfahan is half the world sagt ein Sprichwort aus dem 16. Jahrhundert, wie wahr!

Umwerfend schoen: Der Naqsh-e Jahan Platz

Umwerfend schoen: Der Naqsh-e Jahan Platz

Der Platz laedt zum Flanieren ein

Der Platz laedt zum Flanieren ein

Eingangsportal bei der Lotfollah Moschee - ein guter Platz zum sitzen und staunen

Eingangsportal bei der Lotfollah Moschee – ein guter Platz zum sitzen und staunen

Die Pol Si-o-Seh Bruecke bei Nacht (leider ohne Wasser)

Die Pol Si-o-Seh Bruecke bei Nacht (leider ohne Wasser)

Mit Esfahan geht für uns ein weiterer Reisetraum in Erfüllung. Die drei Tage auf dem Velo von Kashan bis Esfahan sind ideal, um sich dieser wunderbaren Stadt langsam zu nähern und die Vorfreude immer grösser werden zu lassen. Die Strassen im Iran sind oft kilometerlang geradeaus, da braucht es manchmal Ablenkung für den Kopf und andere Gedanken, ansonsten haben wir das Gefühl wir kommen überhaupt nicht voran. Obwohl eigentlich viel passiert ist während diesen drei Velotagen. Die Strasse von Kashan nach Esfahan führt an der berühmt-berüchtigten Uran-Anreicherungsanlage vorbei und wir werden einige Kilometer vor der Anlage von der Polizei gestoppt. Velofahrend an dieser Anlage vorbei zu wollen scheint sehr verdächtig zu sein, während zwei Stunden werden wir angehalten, das ganze Gepäck wird durchsucht, Fotos auf den Kameras angeschaut und USB-Sticks im Office der Polizei überprüft. Obwohl sie nichts finden, dürfen wir dennoch nicht weiterfahren. Die Velos werden auf einen Pickup verladen, Miguel kommt auch auf die Ladefläche, mir als Frau bieten sie einen Platz auf dem Beifahrersitz an. So fahren uns die Polizisten etwa 10km an der Anlage vorbei (wobei man überhaupt nichts sieht, alles ist ja unterirdisch) und lassen uns danach weiterradeln.

Typisch Iranisch: Die Strasse erstreckt sich bis zum Horizont

Typisch Iranisch: Die Strasse erstreckt sich bis zum Horizont

Kurz nach Kashan, es wird wieder etwas huegeliger

Kurz nach Kashan, es wird wieder etwas huegeliger

Auch im nächsten Ort kommt es einen Tag später zu einem Interview, jedoch einem privaten. Bei der Ausfahrt aus dem Städtchen werden wir von einem Auto überholt und auf die Seite gewunken. Zwei Männer steigen aus und wollen alles von uns wissen: Woher? Warum mit dem Velo? Was wir über den Iran denken? Und was die Menschen in der Schweiz über den Iran denken? Ob sie alles Terroristen seien? Einmal mehr stellen wir fest, dass die Iraner sehr besorgt sind über ihr Image im Ausland. Und dass, obwohl sie ansonsten unglaublich stolz sind auf ihr Land, die reiche Geschichte und ihre Kultur (jedoch nicht auf ihre Politik!). Lustigerweise kommt dann auf die Frage wohin wir unterwegs sind ein völlig verständnisloses To Esfahan? By bicycle? No, you cannot do this. It’s too far!!!! Hm, naja das ist relativ. Wenn wir schon tausende Kilometer gefahren sind kommen uns 130km nach Esfahan nicht gerade nach zu weit vor!

Kurze Lunchpause im Windschatten auf ueber 2000m

Kurze Lunchpause im Windschatten auf ueber 2000m

Bereits 45km bergauf geschafft; es bleiben noch 5km bis zum hoechsten Punkt

Bereits 45km bergauf geschafft; es bleiben noch 5km bis zum hoechsten Punkt

Die Kälte und ein Aufstieg von fast 50km machen uns trotz schönster Landschaften und unserer Vorfreude auf Esfahan dennoch etwas müde. Durchfroren nach der Abfahrt kommen wir beim Eindunkeln in eine kleine Stadt, wo sich zwei wichtige Strassen kreuzen. Ein Ort, der auf der Karte so wichtig aussieht, dass es dort sicher ein Hotel gibt. Leider Fehlanzeige, immer wieder führt uns die Schriftgrösse eines Ortes auf der Landkarte in die Irre! So stehen wir im kleinen Laden neben der Moschee des Ortes, der Besitzer offeriert uns einen Chai, doch ein Hotel gibt es nicht. Und zum campieren ist es definitiv zu kalt! Tja, das sind so diese Momente beim Reisen, sie scheinen zunächst aussichtslos und doch ergibt sich plötzlich etwas. So auch bei uns, wir treffen Mustafa, er spricht uns an und will uns mit nach Hause nehmen, doch 25km Entfernung sind etwas weit. Miguel meint plötzlich, wir könnten bei der Moschee fragen und bittet Mustafa um Hilfe beim Übersetzen. Kein Problem meint er, klopft an die Türe und erklärt der jungen Frau, die die Türe öffnet, auf Farsi wer wir sind und was wir brauchen. So dürfen wir in einem Nebenraum der Moschee schlafen, Mustafa organisiert alles, gibt uns dann noch seine Natelnummer und meint, wir sollen wir unbedingt anrufen wenn wir Hilfe oder eine Übersetzung brauchen! Und macht sich davon in seinem Auto, während wir bei der jungen Frau bleiben. Sie bittet uns in ihre kleine 2-Zimmerwohnung, später kommt noch ihr Ehemann und ihre Nachbarin dazu. Sie sprechen kein Englisch, wir kein Farsi. So können uns nur mit dem Englisch-Persisch Wörterbuch verständigen, finden aber heraus, dass sie 17 Jahre alt ist, ihr Mann 25, das Baby zwei Monate und die Nachbarin wie ich 33 ist. Aber schon seit 14 Jahren verheiratet! Ja, das sind andere Welten. Miguel meint dann plötzlich leicht schockiert zu mir, also unsere Gastgeberin sei halb so alt wie er! Dennoch sind wir beeindruckt, trotz ihrer 17 Jahre kocht sie uns ein feines Khorme sabzi zum Abendessen, serviert uns Chai, macht unsere Betten bereit, kümmert sich ohne Aufhebens um ihr Baby. Ohne Frühstück am nächsten Tag dürfen wir nicht weiterradeln und auch danach wollen sie uns kaum gehen lassen. Einmal mehr stellen wir fest, wie viel wir ohne gemeinsame Sprache ausgetauscht haben und wie selbstverständlich Gastfreundschaft in anderen Ländern gelebt wird.

Unser Schlafplatz im Nebenraum der Moschee, sogar mit eigenem Ofen!

Unser Schlafplatz im Nebenraum der Moschee, sogar mit eigenem Ofen!

Die restlichen 50km nach Esfahan radeln wir in Rekordgeschwindigkeit, können es kaum erwarten, endlich in der Stadt zu sein. Bevor wir Javid, unseren Freud den wir in Georgien kennengelernt haben, treffen, will ich unbedingt zum Naqsh-e Jahan Platz. Als wir mit dem Velo dort einrollen überkommt mich ein Glücksgefühl wie schon lange nicht mehr. Genau für diese Momente lohnen sich die Strapazen, die das Velofahren manchmal mit sich bringt. Mit dem Velo in Esfahan einzufahren haut uns wirklich fast vom Sattel vor Glück!

Nach 6000km erreichen wir Esfahan!

Nach 6000km erreichen wir Esfahan!

Die folgenden Tage verbringen wir aber ohne Velos, sondern mit viel Socializing. Javid und seine Freunde zeigen uns die besten Restaurants, wandern mit uns auf den Hausberg (2240m), lassen uns an Geburtstagsfeiern teilhaben und beantworten unsere tausend Fragen. Wie läuft das mit Beziehungen im Iran, wenn man eigentlich gar kein Date haben darf? Was verdienen sie und wie teuer sind Wohnungen? Was erhoffen sie sich vom neuen Präsidenten? Wohnen eigentlich alle jungen Iraner noch bei ihren Eltern bis zur Hochzeit? Wie sie die politische Situation im Land einschätzen? Es ist spannend, Antworten auf diese Fragen zu erhalten. Die Iraner und Iranerinnen sind sehr gebildet, sprechen meist gut bis sehr gut Englisch und sind sehr interessiert, was das Leben bei uns im Westen angeht. Ich unterhalte mich gerne mit den Frauen, versuche ihre Situation zu verstehen. Der Iran ist ein sehr kontrastreiches Land: Verschrien als ein Land, in dem die Frauen wenig Rechte haben, ist es dennoch so, dass Iranerinnen seit 1931 die Scheidung einreichen und seit 1962 abstimmen dürfen (nur so nebenbei: In der Schweiz dürfen die Frauen seit 1971 abstimmen!). Auch dürfen die Frauen Auto fahren, Grundstücke besitzen etc. was sie in anderen arabischen Staaten nicht dürfen. Dennoch gehören die Frauen nicht zu den Gewinnerinnen der Revolution von 1979, viele Frauen in guten Positionen haben ihre Arbeit verloren (z.B. Richterinnen). Ich habe immer gedacht, dass der hejab, die offizielle Kleiderordnung mit Kopftuch und langem Mantel, das grösste Problem der Iranerinnen ist. Nachdem ich viele emanzipierte und politisch interessierte Frauen kennengelernt habe muss ich feststellen, dass das Tragen des Kopftuchs eines der kleineren Probleme ist, das die Frauen hier haben. Die grundsätzliche Benachteiligung (z.B. dass bei einem Verkehrsunfall das Leben einer Frau nur halb so viel wert ist wie das Leben eines Mannes) stellt ein viel grösseres Problem für die Iranerinnen dar.

Blick ueber Esfahan von der Spitze des Hausbergs

Blick ueber Esfahan von der Spitze des Hausbergs

Nach der Wanderung ueberrascht uns die iranische Picknickkultur: Auch bei Temperaturen um die 5 Grad sind wir nicht die einzigen Picknicker!

Nach der Wanderung ueberrascht uns die iranische Picknickkultur: Auch bei Temperaturen um die 5 Grad sind wir nicht die einzigen Picknicker!

Solche Gespräche machen unseren Aufenthalt in Esfahan sehr intensiv und bereichernd. Nebst den vielen Treffen und Unternehmungen mit Javid und seinen Freunden besichtigen wir die Sehenswürdigkeiten von Esfahan, die uns immer wieder ins Staunen versetzen. Die Masjed-e Sheikh Lotfollah, die uns von innen und aussen mit ihren Farben beeindruckt. Die Masjed-e Shah Moschee, die perfekt proportioniert ist und uns stundenlang in den Bann zieht. Die Masjed-e Jameh, die islamische Baukunst aus rund 800 Jahren vereint und mit ihren 20’000m2 die grösste Moschee im Iran ist. Und immer wieder der wunderschöne Naqsh-e Jahan Square, der nach dem Tiananmen Platz als der zweitgrösste Platz der Erde gilt. Wir spazieren über die schönen Brücken, jedoch ist der Fluss seit einer Weile ausgetrocknet. Gründe dafür hören wir verschiedene, alle bedauern jedoch, dass kein Wasser mehr fliesst. Und ja, es sieht tatsächlich etwas komisch aus!

Trockenes Flussbett - ein trauriges Bild

Trockenes Flussbett – ein trauriges Bild

Die Masjed-e Sheikh Lotfollah Moschee - eine der schoensten die wir je gesehen haben

Die Masjed-e Sheikh Lotfollah Moschee – eine der schoensten die wir je gesehen haben

Detail in der Lotfollah Moschee

Detail in der Lotfollah Moschee

Masjed-e Jameh: 800 Jahre Baukunst aus verschiedenen Epochen

Masjed-e Jameh: 800 Jahre Baukunst aus verschiedenen Epochen

Unglaubliche Detailarbeit: Die blauen Kacheln von Esfahan sind beruehmt

Unglaubliche Detailarbeit: Die blauen Kacheln von Esfahan sind beruehmt

Nora ist gluecklich im Iran

Nora ist gluecklich im Iran

Die Masjed-e Shah ist ein architektonisches Wunderwerk

Die Masjed-e Shah ist ein architektonisches Wunderwerk

 

Die Kuppel der Masjed-e Shah ist fuer eine perfekte Akustik konstruiert

Die Kuppel der Masjed-e Shah ist fuer eine perfekte Akustik konstruiert

Masjed-e Shah

Masjed-e Shah

Viele Traditionen im Iran fallen noch auf die Zoroastrische Zeit zurück, die Hauptreligion in Persien bevor die Araber im 7.Jh den Islam mit sich brachten. So feiern im Iran alle den 21. Dezember, die längste Nacht, da danach die Tage wieder länger werden. Da ich dieses Datum auch jeweils in der Schweiz als sehr wichtig empfand und mit einem Glas Prosecco feierte, freue ich mich, hier in guter Gesellschaft zu sein. Wir sind bei Javid und seiner Familie eingeladen um mit ihnen zu feiern. Es gibt traditionell frische Früchte, besonders Wassermelone und Granatäpfel, um dem Winter zu zeigen, dass auch in der dunkelsten Jahreszeit frische Früchte im Iran wachsen. Dazu gibt es Nüsse und danach ein feines Abendessen, das Mehri, die Mutter von Javid, extra für uns kocht. Wir erleben einen schönen Abend mit ihnen und als wir danach durch die dunkle Stadt nach Hause gehen, sind wenige Menschen und Autos unterwegs. Fast wie an Weihnachten bei uns.

Wir feiern die laengste Nacht bei Javids Familie

Wir feiern die laengste Nacht bei Javids Familie

Wir wohnen in Jolfa, dem armenischen Quartier von Esfahan. Gegenüber von unserem Studio, wo wir wohnen dürfen, gibt es eine armenische Kirche die uns mit ihrem Glöckchen fast schon an zu Hause erinnert. Weihnachten werden wir hier feiern und uns in einigen Tagen, wenn wir unser Visum verlängert haben, schweren Herzens von Esfahan verabschieden. Das Land ist so gross und es gibt noch so vieles zu sehen! Zunächst wünschen wir euch aber schöne Weihnachtstage, geniesst es mit euren Familien und wie immer, egal ob wir wie auch schon in Neuseeland, Australien oder in Laos Weihnachten feiern, werden wir am 24. und 25. schon etwas heimwehig sein…..aber das gehört halt auch zum Reisen.

Die Vank Kathedrale im armenischen Jolfa Quartier

Die Vank Kathedrale im armenischen Jolfa Quartier

Das Innere der Kathedrale ist vollstaendig mit Bibelszenen bemalt

Das Innere der Kathedrale ist vollstaendig mit Bibelszenen bemalt

Detail "Fegefeuer" :)

Detail “Fegefeuer” 🙂

 

8 thoughts on “Esfahan ist die halbe Welt

  1. Juhuu jetzt kann mer äm Söhnli doch no schnäll gratuliere 🙂 Scho bald isch jo bi Euch dä 26. verbi.

    Viiil Glügg und viil Schöns und viil Freud , ä wunderschöni gfüehrti Wiiterreis. Alles Liebi – Gxundheit

    ä liechtvolli und schpannendi Zyt. Ganz herzligi Glückwünsch 🙂 🙂

    Danke wieder für Euri Bricht mit phantastischem Fotomaterial. Herzlige Dank.
    Alle Liebi

  2. hey ihr zwei!

    Michi, Happy Birthday! Mir stosse grad, do uff em Sofa mit eme Glas Why uff di a! Prost!
    Viele Dank für dä tolli Bricht über dr Iran, sehr spannend und tolli Bilder. Schön, dass es für euch so gute lauft. D’Wiehnachtstäg sind mit viel ässe und Familie ume gange. Jetzt stoht denn bald dr Silvester vor dr Tür. Dr letschti isch jo gar nid so schlecht gsi ;o) Ohne euch zwei wird’s allerdings e bitz eigenartig wärde.
    Vo uns zwei do uff em Sofa nomol die beschte Wiehnachtswünsch und e ganz e guete Rutsch ins neue Johr!
    hebet Sorg und gueti Wyterreis!

  3. happy birthday miguel!!!! mir wünsche dir alli alles liebi zum geburtsdaag! ihr fählet do!!!!! digge mutz die ganzi basel-fraktion

  4. Hallo ihr Lieben!
    Vielen herzlichen Dank fuer eure lieben Kommentare und Wuensche!
    Wir wuenschen euch allen einen guten Abschluss des Jahres und dann guten Rutsch ins 2014!
    Liebe Gruesse aus Shush!

  5. Hallöchen
    Wieder sehr farbenfrohe und wunderschöne Bilder einer mir unbekannten Region 🙂
    Iran ist ein Land, welches ich wohl nie bereisen werde. Daher ist es umso schöner, dass ich dieses Land durch eure Reise etwas näher kennenlerne.
    Liebe Grüsse und einen guten Rutsch ins 2014
    Claudia

  6. Hallo zäme

    Ich hoff, dir sit guet ins 2014 gstartet. Ich wünsch euch fürs kommende Johr witerhin vill tolli Erläbnis und idrücklichi Begegnige. Ich freu mi uf jede Fall jetzt scho uf jede neu Reisebericht 🙂

    Liebe Gruess & Happy New Year
    Barbara

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