Im Herzen der Seidenstrasse

Sa-mar-kand, der Name vergeht auf der Zunge wie ein zartes Stück Shashlik. Unterwegs zwischen Buchara und Samarkand müssen wir uns immer wieder in Erinnerung rufen wo wir gerade sind – mitten im Herzen der Seidenstrasse. Mit dem Kamel dauerte der Abschnitt wohl ungefähr neun Tage, wir erreichen diese nächste grosse Destination trotz schlechten Strassen und Wind am Mittag des vierten Tages, sind davon aber einen ganzen Tag in Navoiy hängengeblieben.

Kurz vor Navoiy

Kurz vor Navoiy

Als wir in Navoiy nämlich am ersten Abend nach einem langen Tag Gegenwind und über 100km eintreffen und nach einer Unterkunft suchen, erleben wir eine Überraschung. In Usbekistan dürfen ja nicht alle Hotels Touristen beherbergen, nur diejenigen, welche eine offizielle OVIR-Registrierung ausstellen können. Die Auswahl ist also begrenzt und meist sind es die teureren Hotels, welche diese Registrierung haben. Wir passieren ein teuer aussehendes 4-Sterne Hotel vor der Stadt und beschliessen rasch zu fragen, ob es im Zentrum Navoiys vielleicht eine günstige Option für uns gäbe. Dort treffen wir auf die 24-jährige Guzel, welche an der Rezeption arbeitet. Sie spricht gut Englisch und bestätigt uns einerseits, dass es in Navoiy kein günstiges Hotel für uns Touristen gäbe und dass ihr 4-Sterne Hotel wohl zu teuer für uns sei. Im gleichen Satz hängt sie aber an: Why don’t you come to my home? Huh? Das ist uns nun doch auch noch nie passiert. An der Lobby eines schicken Hotels werden wir von der Rezeptionistin (deren Job es eigentlich wäre, uns ein teures Hotelzimmer zu verkaufen) zu ihr nach Hause eingeladen. Wir überlegen nicht lange und sagen zu, fahren die restlichen Kilometer in die Stadt bis zu ihrem Wohnblock wo wir auf Grisha, ihren Ehemann, treffen.

 

Die beiden frisch Vermählten wohnen zusammen in einer einfachen Wohnung in einem der vielen Sowjet-Blocks der Stadt. No parents, hatte sie noch verschmitzt gesagt – ohne die Eltern also. Für die beiden ist es wohl immer noch sehr speziell nach der Hochzeit alleine zusammen zu wohnen, ohne die jeweiligen Eltern um sich zu haben. Noch immer etwas geprägt vom Iran, wo ein privater Aufenthalt immer mit sehr viel Brimborium verbunden war, wir den ganzen Abend den Max machen mussten, das ganze Dorf kennenlernten und nur mit sehr viel Überzeugungsarbeit schliesslich ins Bett durften, überrascht uns Grisha, als er uns unser Zimmer und die Dusche zeigt und sich dann in die Küche zurückzieht, um einige Essensreste fürs Abendessen zu wärmen. Der Aufenthalt mit den beiden ist so angenehm und unkompliziert dass wir sogar Guzels Angebot annehmen und noch einen Extra-Tag bleiben. Dabei erfahren wir enorm viel über die hiesige Gesellschaft. So zum Beispiel dass die Stadt Navoiy eine reine Industriestadt ist und der Grossteil der Bewohner in den umliegenden Chemie- und Metallfabriken oder dem Kern- und Thermalkraftwerk arbeitet. Grisha wurde als Elektroingenieur ausgebildet und muss nun drei Jahre bei der Goldminen-Fabrik arbeiten, da diese seine Ausbildung finanziert hatte. Wir erfahren dass er monatlich 300 US-Dollar verdient und die Miete für die Wohnung 150 US-Dollar in Anspruch nimmt. Wir sind froh, als er uns nicht nach unseren Löhnen fragt, es ist immer schwierig sich allgemein verständlich zu rechtfertigen wenn die Unterschiede so gross sind.

Spontane und unkomplizierte Hosts Guzel und Grisha

Spontane und unkomplizierte Hosts Guzel und Grisha

Plattenbausiedlung in Navoiy

Plattenbausiedlung in Navoiy

Wohn-/Schlafzimmer von Guzel & Grisha, wir schliefen im Raum nebenan auf dem Boden

Wohn-/Schlafzimmer von Guzel & Grisha, wir schliefen im Raum nebenan auf dem Boden

Sonntagsausflug zum nahe gelegenen, künstlich angelegten See von Navoiy

Sonntagsausflug zum nahe gelegenen, künstlich angelegten See von Navoiy

Äusserst interessant erleben wir die Klassenunterschiede zwischen Usbeken, Tadjiken und Russen. Sowohl Guzel (mit turkmenisch/russischen Eltern) als auch Grisha (mit kirgisisch/russischen Eltern) sind zwar in Usbekistan geboren und aufgewachsen, gingen aber auf eine russische Schule und lernten gleichzeitig Russisch und Usbekisch. Dennoch sehen sie Russisch als ihre Muttersprache an und Usbekisch als eine zusätzlich halbwegs erlernte Zweitsprache. Beide mögen Usbekistan und die Usbeken nicht besonders, empfinden sich gegenüber den ethnischen Usbeken (welche angeblich über mehr Möglichkeiten verfügten) als Bürger zweiter Klasse. Vielleicht aus Trotz sehen sie sich deshalb als die russische Elite und schauen auf die hiesige Bevölkerung und noch mehr auf die armen tadjikischen Gastarbeiter herunter. Dieses Zugehörigkeitsgefühl zu Russland überrascht uns. Das hätten wir von den älteren Generationen erwartet, die die Sowjetunion noch erlebt hatten, aber nicht von der Alterskategorie, welche beim Zusammenbruch gerade mal knapp auf der Welt waren.

Diese Gedanken gehen uns noch etwas durch den Kopf, als wir durch die uninspirierend flache Landwirtschaftszone weiter nach Samarkand radeln. Ich kann mich noch gut erinnern als die Sowjetunion 1991 zerbrach. Ich feierte just an dem Tag meinen 12. Geburtstag. Alles was ich damals von der Sowjetunion wusste, war dass es mit Russland zu tun hatte und Michail Gorbatschow kannte ich auch – denn der hatte so ein lustiges Muttermal auf der Stirn, in der Form von Italien.

Auf der Seidenstrasse Richtung Samarkand - den Wind immernoch gegen uns

Auf der Seidenstrasse Richtung Samarkand – den Wind immernoch gegen uns

MIttagsrastplatz unter Apfelbäumen, bei den aktuellen Temperaturen gegen 40°C machen wir jeweils ca. 4h Pause bis die Hitze nachlässt

MIttagsrastplatz unter Apfelbäumen, bei den aktuellen Temperaturen gegen 40°C machen wir jeweils ca. 4h Pause bis die Hitze nachlässt

Kurz vor Samarkand wird die Gegend hügeliger - rolling hills

Kurz vor Samarkand wird die Gegend hügeliger – rolling hills

Schliesslich erreichen wir Samarkand und flüchten nach diesem kurzen Foto direkt ins Hotelzimmer um die Mittagshitze auszusitzen

Schliesslich erreichen wir Samarkand und flüchten nach diesem kurzen Foto direkt ins Hotelzimmer um die Mittagshitze auszusitzen

Mit Usbekistan bereisen wir bereits das vierte Land, das Mitglied in diesem historischen Länderverbund war. Zwangsläufig lernen wir in diesen Ländern die Sowjetunion länger je besser kennen, denn die alte UdSSR geistert hier immer noch herum. Viele Ex-UdSSR Gemeinsamkeiten erkennen wir auch hier in Usbekistan wieder – so zum Beispiel dass 1991, nachdem die heutigen GUS-Staaten die Unabhängigkeit erklärt hatten, immer diejenige Partei an die Macht kam die gerade regierte – und das waren natürlich immer die kommunistischen Parteien, da jegliche Opposition ja verboten war. Von Demokratie keine Spur, das Volk geht immer leer aus. Nach dem lustig-tragischen Beispiel der Eskapaden des ehemaligen Präsidenten Turkmenistans Niyazov alias Turkmenbashi haben die Menschen Usbekistans auch nicht viel zu lachen. Präsident Karimov hatte damals die Macht ergriffen und lässt sie seither nicht mehr los. Die Verfassung sah ursprünglich vor, den Präsidenten nach zwei Regierungsperioden neu zu wählen – Karimov fand das aber nicht lustig und änderte kurzerhand diese Regelung, liess sich nach einer ohnehin bereits verlängerten Amtsperiode für eine dritte Periode anstellen und scheint auch ernsthaft noch eine vierte Runde in Betracht zu ziehen.

Dass er dabei wohl doch ein wenig ein schlechtes Gewissen hat und die Wut der Bürger fürchtet, erfahren wir in Samarkand. Eines Tages erscheint uns die ohnehin schon omnipräsente Polizei plötzlich noch etwas präsenter und sperrt kurzerhand alle Zufahrtsstrassen rund um die Hauptattraktion im Herzen der Stadt, den Registan. Zuvor beobachteten wir Dutzende von Frauen, die kniend die touristische Fussgängerzone und den Platz des Registan mit Zahnbürsten reinigten und Kaugummis vom Boden kratzten. Als dann auch noch kurzfristig die Bodenmarkierungen auf der Hauptstrasse einen neuen Anstrich erhielten, wussten wir dass wohl ein hohes Tier zu Besuch kommen muss. Wir schlendern durch die Stadt und geniessen das autofreie Gefühl, kein Lärm, kein Gehupe, kein Gestank, herrlich. Aber die Strasse dürfen wir nicht betreten, denn alle paar Meter steht ein nervöser Polizist in Zivil. Es liegt eine spürbar unangenehme Spannung in der Luft bis schliesslich der Autokonvoi mit dem Präsidenten und seiner Gefolgschaft in Mercedes Limousinen nur wenige Meter neben uns vorbeirauscht. Zu schade hatten wir gerade keine faulen Eier zur Hand die wir hätten werfen können, so nahe an den usbekischen Diktator kommt man wohl selten ran. Aber voraussichtlich hätte man uns gleich an Ort und Stelle exekutiert, denn so macht man das hier in Usbekistan (siehe Massaker in Andijon).

 

Zurück in unserem B&B stellen wir fest, dass komischerweise das Internet nicht mehr funktioniert. Aus Augst vor möglichen Menschenansammlungen wurde es wohl abgeschaltet. Erst am Abend sind wir wieder online.

 

Auch wir besuchen die Überbleibsel längst vergangener Tage, den eindrücklichen Registan mit den drei zueinander stehenden Medresen, die riesige wieder aufgebaute Bibi Khanoum Moschee sowie einige beeindruckende Mausoleen aus dem 14. Jahrhundert. Samarkand, schon im 5. Jahrhundert vor Christus eine ansehnliche Stadt, denn Alexander der Grosse soll einst gesagt haben: Alles was ich über Marakanda gehört habe, ist wahr – einzig dass sie noch schöner ist als ich es mir je hätte vorstellen können. Leider ist von der damaligen Stadt heute nichts mehr übrig.

Der Registan im Abendlicht

Der Registan im Abendlicht

Im Innern der Sher Dor Medresa

Im Innern der Sher Dor Medresa

Sher Dor Medresa

Sher Dor Medresa

 

Blick zur Decke der Moschee in der Tilla-Kari Medresa

Blick zur Decke der Moschee in der Tilla-Kari Medresa

Detail derselben Decke

Detail derselben Decke

Aussenfassade Tilla-Kari Medresa

Aussenfassade Tilla-Kari Medresa

Innenhof der Ulugbek Medresa, welche rund 200 Jahre vor den anderen beiden Medresen gebaut wurde

Innenhof der Ulugbek Medresa, welche rund 200 Jahre vor den anderen beiden Medresen gebaut wurde

Die Frauen in Usbekistan haben keine Scheu vor Farben und Mustern!

Die Frauen in Usbekistan haben keine Scheu vor Farben und Mustern!

Der zentrale Markt in Samarkand ist neu und organisiert

Der zentrale Markt in Samarkand ist neu und organisiert

Brotlieferung per Velo

Brotlieferung per Velo

Einst wichtiger Knotenpunkt der Seidenstrasse zwischen China, Indien und Persien muss Samarkand ein einzigartige Stadt gewesen sein, welche vom 6. Jahrhundert an ständig wuchs, bis Jenghiz Khan sie 1220 zerstören liess. Es ist schon beinahe bemerkenswert wie viel Zerstörung von kulturellen Gütern einem einzigen Mann und seinem Heer zugeschrieben werden kann. Die Mongolen müssen wirklich unglaublich gewütet haben.

Unter den Mausoleen und Friedhofsgräbern auf dem Afrosiab Hügel im Norden der Stadt, liegen die Überreste der antiken Stadt Marakanda. Die Regierung hat bisher erst einen Bruchteil davon ausgraben lassen. Nach Jenghiz Khans Zerstörung wurde die neue Stadt etwas weiter südlich wieder aufgebaut.

Unter den Mausoleen und Friedhofsgräbern auf dem Afrosiab Hügel im Norden der Stadt, liegen die Überreste der antiken Stadt Marakanda. Die Regierung hat bisher erst einen Bruchteil davon ausgraben lassen. Nach Jenghiz Khans Zerstörung wurde die neue Stadt etwas weiter südlich wieder aufgebaut.

Shah-i-Zinda, die Mausoleum-Avenue, ein wichtiger Pilgerort - bisher der einzige Ort an welchem wir daran erinnert wurden, dass die Usbeken auch Moslems sind. Religion ist hier im Alltag nicht integriert.

Shah-i-Zinda, die Mausoleum-Avenue, ein wichtiger Pilgerort – bisher der einzige Ort an welchem wir daran erinnert wurden, dass die Usbeken auch Moslems sind. Religion ist hier im Alltag nicht integriert.

Auf dem nebenan gelegenen Friedhof finden sich wieder viele Grabsteine aus Marmor, in welche die Konterfeis der Verstorbenen eingraviert wurden. Unheimlich. Diejenigen ohne Geld müssen sich mit einem einfachen Erdhügel zufrieden geben.

Auf dem nebenan gelegenen Friedhof finden sich wieder viele Grabsteine aus Marmor, in welche die Konterfeis der Verstorbenen eingraviert wurden. Unheimlich. Diejenigen ohne Geld müssen sich mit einem einfachen Erdhügel zufrieden geben.

150 Jahre später jedoch beschloss Timur (Tamerlane – der Lahme) die Stadt zu seiner Hauptstadt zu machen. Er orderte die besten Architekten, Handwerker und Künstler seines von Konstantinopel bis nach Delhi reichenden Imperiums nach Samarkand und baute sie komplett neu auf. Beeindruckend, was damals in lediglich 35 Jahren Bauzeit erreicht wurde.

Das Mausoleum in welchem unter anderen Timur selbst begraben liegt

Das Mausoleum in welchem unter anderen Timur selbst begraben liegt

In dem Gur-Emir Mausoleum Timurs

In dem Gur-Emir Mausoleum Timurs

Wand-Detail

Wand-Detail

Auch heute wird noch fleissig gebaut. Die Armee des russichen Zaren fand 1868 die timuridische Stadt grösstenteils zerstört vor. Nach der Oktoberrevolution machten sich die Sowjets sogleich an die „Sowjetisierung“ der Überreste, bauten fleissig Plattenbauten und andere Betongebäude zwischen die historischen Mauern. Die heutige Regierung ist nicht viel besser. Der grosse Platz vor dem Registan, einst der Mittelpunkt der Stadt und dominiert von einem quirligen Markt, wurde im letzten halben Jahr noch seines letzten Hinweises auf Leben beraubt, die Grasflächen und Bäume wurden ersetzt durch Bodenplatten. Der Ort wirkt dadurch sehr steril und leblos – ein weiteres Open-Air-Museum.

Vorher - Nachher Vergleich mit Fotos aus der Jahrhundertwende. Die Authentizität hat merklich gelitten

Vorher – Nachher Vergleich mit Fotos aus der Jahrhundertwende. Die Authentizität hat merklich gelitten

Die Bögen der Iwans wurden in einem anderen Stil restauriert

Die Bögen der Iwans wurden in einem anderen Stil restauriert

Beten sieht man heute niemanden mehr. Allgemein ist die Religion in Usbekistan nicht spürbar

Beten sieht man heute niemanden mehr. Allgemein ist die Religion in Usbekistan nicht spürbar

Ebenfalls neu zu sein scheint die Kanalisierung der Touristenströme über die perfekten Gehwege, vorbei an perfekten Grasflächen und Baumreihen. Den ganzen Tag sind Reinigungsequipen die Gehwege am schrubben und die Grünflächen am pflegen. Am schrägsten ist jedoch die Fussgängerzone Tashkent, welche vom Registan zur Bibi Khanoum Moschee führt. Die akkurat angelegte Strasse wird gesäumt von nagelneuen Ladenzeilen ohne Kundschaft, farbig gekleidete Usbeken schlendern scheinbar ohne Ziel umher. Aber eine unheimliche Stille liegt über der Strasse, als wären wir in einem Filmset gelandet. Als wir dann eine kleine Tür entdecken, welche seitlich aus der Strasse herausführt, kommen wir uns endgültig vor wie im Film The Truman Show. Dahinter verbirgt sich nämlich das wahre usbekische Leben, systematisch durch Mauern und Tore von den Blicken der Touristen verborgen. Die Regierung muss Unsummen in dieses Versteckspiel investiert haben, anstelle dass sie der Bevölkerung ein besseres Leben ermöglichen würden. Wir sind fassungslos und kommen uns vor wie Marionetten in diesem Überwachungs- und Kontrollstaat.

Fussgängerzone, hier scheinen die Reinigungsequipen rund um die Uhr zu arbeiten. Natürlich mit Unmengen an (Trink-)Wasser. Das Wassermanagement Zentralasiens ist bestenfalls bedenklich!

Fussgängerzone, hier scheinen die Reinigungsequipen rund um die Uhr zu arbeiten. Natürlich mit Unmengen an (Trink-)Wasser. Das Wassermanagement Zentralasiens ist bestenfalls bedenklich!

Die "Truman-Street" - Kaugummiklaubende Frauen mit strenger Bewachung bringen die Strasse für den Präsidenten auf Vordermann

Die “Truman-Street” – Kaugummiklaubende Frauen mit strenger Bewachung bringen die Strasse für den Präsidenten auf Vordermann

Der Ausgang aus der Kulisse - kleine Türe zum wirklichen Leben

Der Ausgang aus der Kulisse – kleine Türe zum wirklichen Leben

Dahinter befindet sich das alte jüdische Viertel - abgeschirmt von den Touristen

Dahinter befindet sich das alte jüdische Viertel – abgeschirmt von den Touristen

Wir sind doppelt froh, mit den Fahrrädern unterwegs zu sein und die usbekische Bevölkerung ausserhalb der touristischen Städte zu erleben. Die sind nämlich unheimlich freundlich und kontaktfreudig, sprechen uns ständig auf Russisch oder Usbekisch an (und sind jeweils sichtlich enttäuscht wenn wir nichts verstehen) oder rufen uns im vorbeifahren Chay, chay! (Tee) zu. Vor Samarkand mussten wir nochmals übernachten und fragten einen Ziegenhirten bei einer Farm ob wir unser palatka (Zelt) auf seinem Grundstück aufstellen dürften. Er lachte laut, zeigte dabei seine komplett in Gold gehaltene Reihe Zähne und gab uns mit einer schweifenden Handbewegung zu verstehen, dass wir hier überall willkommen seien und unser Zelt aufstellen dürfen. Dann überlegte er es sich anders und zeigte uns einen Raum neben seinem Ziegenstall, den wir für die Nacht benutzen durften. Auch nach über einem Jahr sind wir immer noch beeindruckt, wie wir immer wieder bei wildfremden Menschen aufgenommen werden, welche erst noch alles mit uns teilen was sie haben, auch wenn es nicht viel ist. Diese Menschen schämen sich nicht dessen, was sie haben oder nicht haben. Die westliche Unart alles und jeden wertend zu be- und verurteilen ist hier glücklicherweise nicht üblich. Daraus können wir nur lernen.

Wir bereiten unser Abendessen zu...

Wir bereiten unser Abendessen zu…

...während unser Schäfer seine Schäfchen zusammentrommelt...

…während unser Schäfer seine Schäfchen zusammentrommelt…

..um danach in seiner bescheidenen Unterkunft sein Abendessen mit uns zu teilen. Wir sind mal wieder beeindruckt über die immense Gastfreundschaft

..um danach in seiner bescheidenen Unterkunft sein Abendessen mit uns zu teilen. Wir sind mal wieder beeindruckt über die immense Gastfreundschaft

Unsere Bleibe für die Nacht

Unsere Bleibe für die Nacht

Landschaft um unsere Farm

Landschaft um unsere Farm

Am nächsten Morgen sind wir wegen der Hitze bereits um 6 Uhr auf den Rädern

Am nächsten Morgen sind wir wegen der Hitze bereits um 6 Uhr auf den Rädern

Auch gelernt haben wir, dass „unser“ Usbekistan nicht wie erwartet die sagenumwobenen Seidenstrasse-Städte sind. Diese wirken auf uns einfach etwas zu leblos und teilweise wüst überrestauriert. Es ist unserer Meinung nach der falsche Ansatz, diese prächtigen Kulturgebäude zu Museen umzubauen. Die Authentizität geht somit gänzlich verloren. All diese Moscheen, Medresen und Mausoleen haben etwas besseres verdient als abgeschottet von der eigentlichen Stadt ihr Dasein innerhalb hohen Mauern zu fristen. Leider schaut die UNESCO weg, wenn der usbekische Diktator wie beim Beispiel der Restaurierung der Bibi-Khanoum Moschee 300 Tonnen schwere Stahlträger verwendet („weil man heute ja gar nicht mehr so mauern kann wie damals“ – Zitat des Bauunternehmens) oder die Minarette im Buchara-Stil anstelle im Samarkand-Stil wieder aufgebaut werden. Da die Moschee praktisch komplett eingestürzt war und keinerlei Dokumentation vorhanden ist, wie diese ursprünglich ausgesehen haben mag, wird einfach aufgrund von Spekulationen munter ein Konstrukt zusammenzementiert.

Nein, in den Städten wird uns nicht warm ums Herz. Statt dessen ist unser ultimatives Usbekistan-Erlebnis der Weg dazwischen – das Erfahren der uralten Seidenstrasse-Routen zwischen den Städten. Wir können uns nun ansatzweise vorstellen, wie den Karawanen damals zumute gewesen sein muss. Tagelang in der brütenden Sonne, dem Wind ausgesetzt durch die öde, flache Wüstengegend, verschwitzt, verstaubt, dreckig und müde… und dann endlich taucht die lang ersehnte Stadt am Horizont auf. Was für uns bereits die Erlösung ist, muss für diese frühen „Business-Reisenden“ wohl Jubelschreie ausgelöst haben. Kaltes Wasser, ein Dach über dem Kopf, etwas Anständiges zu Essen. Das Paradies. Seidenstrasse-Feeling pur.

11 thoughts on “Im Herzen der Seidenstrasse

  1. Hee dir zwee
    Danke für dr neui bricht und die schöne föteli. Das mues jo würklich ödland sii zwüsche dene städt. Aber ihr machet das super. Und zu dr gastfründschaft vo de lüt bruchts jo au euri offeheit und unkompliziertheit.
    Vermiss euch

  2. Assalomu alaykum!
    Wider ä sehr idrückliche Bricht, v.a. wenn mä hinter d’Kulisse gseht vo dere pseudo Touriste-Wält wo do söll vermittlet wärde. Woni d’Bilder gseh ha, hani z’ersch dänkt “wow” und woni denn dr Text derzue gläse ha, het sich die Wohrnähmig sehr schnäll g’änderet. Das Bild mit dr Türe in d’Realität isch sehr idrücklich.
    Ich wünsch euch witerhin tolli Erläbnis und Bekanntschafte uf dere gschichtsträchtige Stroos.
    Liebi Grüess
    Barbara

  3. Sehr aufschlussreich, dieser Bericht: Er vermittelt einen guten Einblick in diese ehemaligen Sowiet-gesellschaften. Man weiss ja sonst so wenig über diese Länder. Mir wird nun auch besser klar, warum in der Ukraine (Ost-Ukr.) gekämpft wird gegen Aufständische, die die Ost-Ukr. wieder zu Russland bringen wollen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es dort auch so eine Art Klassensystem gibt, wie Du es beschreibst in Usbekistan. Klar versuchen sie Touristen anzulocken, glauben nur so können sie zu schnellem Geld kommen, das dann eh in die falschen Kassen geht…machen es den Ländern nach, die das schon länger machen (s. z.B. Thailand, Kambodscha, Laos, etc. etc. etc.) und es kommt dann immer das gleiche Desaster heraus….. (Habt Ihr ja schon oft gesehen, gell). Bin gespannt, ob das dann in Tadschikistan so weiter geht (ist wahrscheinlich noch ärmer, da Menschen von dort nach Usbekistan arbeiten kommen). Übrigens eine tolle Idee, alte Bilder den Gegenwärtigen gegenüberzustellen. Was für ein Unterschied!!!!! Macht weiter so, ich verfolge Euch weiter! Liebe Grüsse Mary-Jones

  4. Uuuuuhh, do laufts mir ächt chalt dr Rugge durab mit däre Vorstellig vo dr “Truman-Show” und au das “Affetheater” wo die arme Lüt miend verastalte, numme well dä “tolli Präsidänt” verby faart, schlimm! Sehr schad, wie sie historischi Baute total andersch wieder ufbaut hän! Kulturguet so z’verschandle find ich öpis wirklich Unschöns – grad ime Land, wo jo anschienend uf Tourischte-Fang isch, sötte sie’s doch besser wüsse…! Aber ebe, sie sin halt wirklich gschädigt vo däre ganze Sowjet-Zyt. Dass dr Räscht vo dr Wält zueluegt und nüt unternimmt in all däne Länder wo s’Volk immerno so liedet unter däne Diktatore isch in dr hüttige Zyt truurig und zeigt, dass halt glych net alles so transparänt isch…!Total interessant die alte und neue Bilder gegeüber gstellt, super Idee, so gseet me die Unterschiede wirklich guet! Au ich stuun jetzt über all die Zyt immer wieder wie hilfsbereit all die Lüt zu wildfremde Persone sind. Mängmol sind ihr wohrschiens näbscht dr wirklich vorhandene Grosszügigkeit aifach au no grad DIE Attraktion und nätti Abwächslig zum Alltag gsy. Jetzt aber in Usbekistan het wohl weder dr nätti Schoofhirt no d Guzel und dr Grisha an öpis anders dänggt, als aifach Euch z’hälfe. Das isch ächt wunderbar! Ich dängg mir aber au jedesmol, dass mir als s’eher zrugghaltende und eher bescheidene (Im Sinn vo: „Neiei, mir wän Euch net stööre und usserdäm miend ihr uns sicher net no verköschtige etc…!“) Schwiezervölkli jo sicher eher echli Müeh händ mit däm, oder? Aber wohrschiens gwöhnt me sich aifach dra und lernt, die Agebot az’nä…! Dass s’eigentliche Entlangfaare uf dr Siedestroos s’gröschte Erläbnis isch, das kann ich guet verstoo …unglaublich wär vorhär scho alles dört dure gloffe, grytte etc…isch…! Ich wünsch Euch wyterhin viel Schöns! Take care, Druggers! PS: „Dr Gorbi het Italie uf em Chopf“, hihihi, gäll Migge…! Und jetzt lauft mir die ganzi Zyt „Dsching—Dsching…Dschingis Khaaaaan“ noche…

  5. Hallöchen Ihr Liebe
    mir händ jetzt au ziemlich heiss, so bis 35°. Han grad gseh, dass ihr scho fascht in Tadjikistan sind!
    Jupii gits scho blad wieder so tolli Bricht und Fotene vo Euch. Ganz liebe Dank für all Euri Bemüehige uns uf äm laufende zhalte, isch eifach super.! 🙂 Und in Dischanbe gits erscht no än Zolli, also ganz zivilisiert ?! 🙂
    ä super gueti Wiiterreis und alles Gueti über dä Zoll.
    liebi Umarmige

  6. Habe gerade noch einmal diese schönen Bilder der Moscheen und Medresen angeschaut. Man kann sich kaum sattsehen. Ich denke besonders an Euch Morgen, bei einer weiteren Grenzüberfahrt. Hier ist es 35°: ich kuschele mich auf’s Sofa, mit Ventilator!!!!! Hebet’s gute und gänd Sorg!
    Mit liebe Verfolgigsgrüess.
    Mary-Jones

  7. Ihr Lieben Zwei, wieder einmal so eindrücklich, wie ihr uns beide Seiten aufzeigt… Das was ihr als “Trueman-Show” entlarvt und wo dort, wo das echte wahre Leben gelebt wird. Echt spannend und macht mich auch nachdenklich. Will ich mit der Verwirklichung meines Traums, noch einmal auf die Seidenstrasse zu kommen, diese “Zweiteilung” (in vor und hinter der Fassade) unterstützen?…. Auf jeden Fall tut es gut zu wissen und ihr habts ja erlebt, dass es überall Menschen gibt, denen die Gastfreundschaft noch heilig ist und denen “Fremde” willkommen sind…
    In der Zwischenzeit seid ihr glaub auch schon weiter in Tadschikistan und habt neue Eindrücke und lernt neue Leute kennen. Machts weiterhin guet und seid lieb gegrüsst aus dem über 35 Grad heissen Elsass ( 😉 ich sehe euch schmunzeln, weil ich weiss doch, ihr toppt diese Temperaturen mit links…)
    Morgen gehts dann weiter Richtung Westen nach Reims und dort solls es bitzeli kühler sein…
    Nora, kannst du mir bitte das letzte mail, wo du mir geschickt hast nochmals senden, danke! Melde mich dann ausführlicher z.B. zum Thema Campingplatz
    Liebi Grüess und en feschti Umarmig
    Franziska

  8. Gratuliere zu Eurem 10- tusiger! Das isch jo ä riesigi Leischtig! Für Euch und Euri Bei/Chnü/Rugge etc…. und dene natürlig fürs ganzi Velo mit allem drum und dra! :):)
    Sicher sind zu Euerne liebschte “Gegeschtänd” worde; Euri super Velos wo Euch nun scho so wiit
    “trait ” händ; nebscht Eurem Wille und duureschto in Wind und Wätter und Hitz und vorhär au d Kätli.
    IHR LIEBE, ich wünsche Euch wiiterhin soviel gueti schtargge Velos-Rugge-Bei-Chnü-Wädli-etc. etc. und allzit ä gueti Fahrt.
    Viel Freud wiiterhin und passed uff Euch uuf
    liebi Grüess-Drugger-

    • Huhu und dangge vielmols! Bi dr scho lang es Mail schuldig, muesch di aber no chli gedulde, sind im Stress! 😉 Schrib dr denn wohl in e paar Wuche in Osh, vorhär wirds wohl schwierig. Ganz e liebe Gruess und Umarmig!

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