Wir fahren in eine Sackgasse. Nur noch wenige Kilometer, dann hört die Strasse auf und wandelt sich erst in einen unbefestigten Holperweg und schliesslich in einen Geissenpfad, welcher sich dann und wann im Dickicht des hiesigen Buschlands komplett verliert. Weiter geht es nicht, wir haben Lands` End erreicht und sind somit im letzten Zipfel von Südwest-Sulawesi angekommen. Bira.

Die Tage davor haben wir nochmals alles gegeben, wir sehnten uns alle nach der wohlverdienten Ruhepause, welche wir in Bira eingeplant hatten. Hier ganz im Süden der Insel, wich das Flachland um Palopo, Watampone und Sinjai aber einem ungewohnt hügeligen Umfeld, das uns einige Höhenmeter und Kraftreserven kostete. Dafür wurde es landschaftlich wieder etwas interessanter, vor allem die Küsten imponierten mit schroffen Felsen, welche steil ins türkisblaue Wasser abfallen. Am Tag, an dem wir Bira erreichen, hatten wir eigentlich vor, in dem 20km vorgelagerten Örtchen Kampongpasar noch einmal zu übernachten, um dann mit frischen Kräften den leider noch dazwischen liegenden Hügel zu erklimmen. Am Mittag hatten wir Kampongpasar bereits erreicht und uns (auch wegen fehlenden Unterkünften) aber kurzfristig entschlossen, den Rest der Strecke noch am selben Tag zu fahren. Mit (zu) vielen Höhenmetern in den Beinen erreichen wir am späten Nachmittag schliesslich unser Zwischenziel Bira – nach fast genau 1’000 Kilometern, die wir seit Manado per Velo zurückgelegt haben. Nicht ganz ohne Stolz feiern wir den Erfolg am Abend mit Pizza und Hamburgern, die hier dank touristischer Infrastruktur erhältlich sind. Mal kein Nasi Goreng.












Gemeinsam etwas zu erreichen (Trampe Sarina, nid plaudere!), auch Durststrecken aushalten zu können (Durehebe, nume no 10km!), sind nebst wohl unzähligen, uns nicht mal bewussten Erfahrungen Dinge, die wir unseren Kindern mitzugeben hoffen. Die Ankunft in Bira ist sicherlich ein Meilenstein, welcher den Kindern in Erinnerung bleiben wird – nicht nur wegen Pizza, Burger und Pancakes. Wir sind am südlichsten Ende angelangt. Nun trennen uns lediglich noch 5 Velotage von Makassar, wo diese Reise zu Ende gehen wird.
Uns ist natürlich daran gelegen, unsere Kinder möglichst von unserer angesammelten Reiseerfahrung profitieren zu lassen. Ein uns sehr wichtiger Punkt dürfte dabei wohl automatisch auf die Kinder übergeschwappt sein. Wir nennen es manchmal «Vertrauen in die Welt». Sicher, es ist eine Gratwanderung und bedarf etwas an Erfahrung, um nicht zu blauäugig durch die Welt zu gehen. Aber in unseren Grundsätzen haben wir einen über viele Reisejahre angereicherten und vielfach bestärkten, gesunden Optimismus. Es ist schon gut, wie es gerade ist, auch wenn es sich vielleicht gerade nicht so anfühlt. Wir wurden damit noch nie enttäuscht. Gerade in Situationen, in denen auch wir das Gefühl haben, dass gerade alles schief läuft, was nur kann, ist diese Einstellung sehr hilfreich. Rückblickend hat sich aus den vermeintlich ungünstigen Situationen jedenfalls noch immer etwas Positives ergeben, was sonst kaum zustande gekommen wäre, hätte zuvor alles reibungslos geklappt.

Ein schönes Beispiel für eine solche Situation hat sich just einen Tag vor Bira ergeben. Mit schweren Beinen und etwas müde von der Hitze rollen wir einen steilen Hügel runter in ein Dorf, in dem es eine Unterkunft geben soll. Das haben einige Locals jedenfalls gesagt, oben an der Kreuzung. Die Temperaturen hier im Süden bewegen sich bereits um 08.30 Uhr um 29 Grad und steigen im Verlaufe des Vormittags auf über 34 Grad an der Sonne, was uns jeweils zu langen Mittagspausen zwingt, falls wir das Tagesziel nicht schon vor dem Mittag erreichen. Nun ist bereits später Nachmittag und wir waren den ganzen Tag unterwegs, abgesehen von der Mittagspause. Das Dorf ist eine Sackgasse, aber das wissen wir zu dem Zeitpunkt noch nicht. Auf der Karte ist zwar eine Strasse eingezeichnet, die aus dem Dorf heraus führt, aber die ist nicht passierbar. Die Bewohner des Dorfes sind total aufgekratzt (wohl, weil sich in diese elende Sackgasse noch nie ein Tourist verirrt hat, logisch), grüssen uns in Kreisch-Lautstärke, sind sehr aufdringlich, wenn wir kurz anhalten und schon bald haben wir eine ganze Traube Motorräder hinter uns, welche immer grösser wird, je länger wir durchs Dorf fahren. Mehrfach halten wir an und fragen nach einem Penginapan. Zu Beginn des Dorfes hiess es noch Ada!, Hat es.Nun nähert sich das Dorf dem Ende zu und die letzten drei Antworten waren Tidak Ada! Der letzte Mann, den wir gefragt haben, hat uns sogar in die Richtung gewiesen, aus der wir eben kamen, mit dem Hinweis, dass die nächste Unterkunft in Bira sei, läppische 50km (und 500 Höhenmeter) entfernt. Den ganzen Hügel wieder hoch? Durch dieses verrückte Dorf? Schien uns zu dem Zeitpunkt ein unmögliches Unterfangen. Uns wird jedenfalls in dem Moment klar, dass das Dorf nicht nur keine Unterkunft hat, sondern auch eine Sackgasse ist – wir müssen den ganzen Weg wieder zurück, die steile Strasse hoch. Wir bleiben am Ende des Dorfes stehen, vor uns ein mächtiger Anstieg auf einer immer schlechter werdenden Strasse. Hinter uns geht es zurück durchs Crazydorf, wo wir den Hügel wieder hochschnaufen müssen und für Erheiterung der Dorfbevölkerung sorgen. Wir beraten über unser Vorgehen. Hinter uns geht die Sonne unter, der Muezzin ruft zum Abendgebet. Höchste Zeit für ein kleines Wunder.
Mau ke mana? sagt unser Wunder. Wohin wollt ihr? Dina ist wie aus dem nichts von hinten mit ihrem Motorrad angerollt. Ada penginapan di sini? fragen wir, wohlwissend, dass es hier keine Unterkunft gibt. Ada rumah di sini, kosong!, meint sie. Kurzerhand lädt sie uns in ihr leerstehendes (!) Haus ein, das hier gleich um die Ecke ist. Come sleep, no problem. Unser Bauchgefühl zeigt den Daumen hoch, sie sieht nett aus. Dankbar nehmen wir ihr Angebot an und folgen ihr zu ihrem Haus. Klar, die ganze Nachbarschaft hat sich innert drei Minuten um uns herum versammelt und beobachtet uns neugierig, als wir unsere Velos abladen. Sie folgen uns anschliessend sogar ins Wohnzimmer, wo wir Tee serviert bekommen, was ebenso gespannt beobachtet wird. Das ist der Preis, den wir hierzulande für eine private Unterkunft immer bezahlen und auch gerne dafür bereit sind. Die nächsten zwei Stunden sorgen wir hier für Unterhaltung, danach legt sich der Rummel.


Wir erreichen Bira am letzten Wochenende vor dem Beginn des Ramadans. Es ist entsprechend viel los hier. Die Muslime lassen es nochmals krachen und pilgern mit Kind und Kegel an den Strand, kreischen auf den vorbeischiessenden Bananenbooten um die Wette und Essen und Trinken nochmals alles, was sie nur wollen und können. Ab nächster Woche wird dann tagsüber gefastet. Der Ort ist bei den Locals eine beliebte Badedestination – Unterkünfte unterschiedlicher Budgetklasse reihen sich entlang den Strassen. Dazwischen befinden sich überwachsene Grundstücke, viele Geissen laufen frei herum und wir sehen erstmals Affen in den Bäumen ausserhalb Biras. Wir finden die perfekte Unterkunft für uns – ein kleines Eco Boutique Hotel mit vier Zimmern etwas ausserhalb von Bira, mit exzellenter vegetarischer Küche nach indisch/malayischem Vorbild. Ein Traum. Wir erleben hier zum ersten Mal in Sulawesi einen durchdachten, ökologischen Ansatz – von der architektonischen Bauweise der Bungalows, über deren Wassermanagement bis hin zur Verwendung wiederverwendbarer Utensilien im Hotel und Restaurant. Wir sind beeindruckt.









Es ist tragischerweise Realität, dass in Indonesien leider nicht sonderlich sorgsam mit der Natur umgegangen wird. Nebst dem Mangel an der dafür nötigen Sensibilisierung gibt es auch kaum irgendwo eine funktionierende Kehrichtabfuhr. Abfall findet sich entsprechend überall verstreut und wird im besten Fall mal von jemandem zusammengesammelt und verbrannt, was die Luftqualität beeinträchtigt und nebenbei den Boden verunreinigt. Andernfalls landet der Müll irgendwann in den Flüssen und landet dann schlussendlich im Meer. Schätzungen zufolge treiben weltweit ca. 5.25 Trillionen Abfallteile in den Weltmeeren. Diese Verschmutzung belastet unter anderem die Korallen, welche in den vergangenen 30 Jahren um 50% (!) zurückgegangen sind. Wir sind aber auf Korallen angewiesen, da sie bis zu 50% des Sauerstoffs der Erde produzieren und fast ein Drittel des durch Verbrennung fossiler Rohstoffe entstandenen CO2 absorbieren.
Unser Eco Hotel betreibt nebenbei die Tauchbasis GaiaOne, welche sich auf die Restauration des Korallenriffs in der Gegend um Bira spezialisiert hat. In minutiöser Kleinarbeit werden die intakten Korallenriffe von Plastikteilen befreit, neue Korallensetzlinge gezüchtet und in die Unterwasserwelt eingebettet. Wir konnten uns vor Ort von der Seriosität des Unternehmens überzeugen und können euch nur wärmstens ans Herz legen, hier ebenso eine (oder mehrere) eigene Koralle(n) zu adoptieren. Ansonsten als Geschenkidee für kommende Geburtstage und Weihnachten.







Nebenbei erkunden wir die Gegend und erfahren, dass in Bira noch immer die traditionellen Phinisi Holzboote in Handarbeit hergestellt werden. Wir besichtigen die Werft direkt am Strand und sind beeindruckt von deren Grösse und der benötigten Handwerkskunst. Mindestens ein Jahr dauert die Fertigung eines solchen Schiffs erzählen uns die fröhlichen Handwerker vor Ort. Früher wurden diese Boote ausschliesslich für den Warentransport von Gewürzen, Sandelholz und Textilien entlang der Gewürzstrasse verwendet. Heute finden diese wunderschönen Schiffe mit den auffälligen Segeln hauptsächlich als Liveaboards oder Tauchboote Verwendung.





Wir geniessen die Tage in Bira und tanken Energie für unsere letzte Woche. Wir nutzen die Zeit für ausgiebige Strandbesuche, Schnorchel- und Tauchausflüge und geniessen das kulinarische Angebot. Seit dem Beginn des Ramadans ist wieder Ruhe eingekehrt. Wir sind gespannt, wie der Fastenmonat spürbar sein wird, wenn wir wieder mit den Velos unterwegs sind. Voraussichtlich dürfte es besonders mittags schwieriger werden, etwas zu essen zu finden, da viele Esslokale tagsüber geschlossen sind. Aber irgendeine Lösung wird sich sicherlich auch dann ergeben.
Einfach wunderbar und spannend zu lesen. Genießt die letzten Tage.
Liebe Grüße von Katja und Dominik
Liebe Freunde, dass war ja wieder ein Matinee, wir sind gerührt wie immer wenn wir mit euch unterwegs sein dürfen. Ein toller Bericht lieber Miguel und einfach irre Fotos.
Wir können einfach immer wieder nur das selbe sagen, ihr macht einfach alles uneingeschränkt richtig und bei euren Reiseberichten, holt ihr uns einfach direkt in eine andere Welt. Wir sind so dankbar das wir an eurem Reiseleben teilnehmen dürfen. Schön das es euch gibt.
Genießt eure letzten Tage, wir denken immer an euch.
Wir umarmen euch, selamat berwisata dan nikmati setiap momen dalam hidup., ganz herzlich eure Gisela und Achim
So schön, euer Bericht und die eindrücklichen Fotos. Es ist einfach schön, so aus der Ferne au es bitzeli dabei sein zu können. Ich wünsche euch noch ganz tolle Tage, geniesst es und dann eine möglichst problemlose Fahrt Richtung Flughafen. Wir freuen uns schon aufs Wiedersehen und was ihr uns dann noch weiteres berichtet. Alles Liebe und seid alle vier fest umarmt
Franziska
PS. Sagt Amira, dass die Schlange auf sie wartet…
Danke für dä wunderbari Bricht und die herrliche Föteli. Gseht wunderschön us.
Hebets no guet und bis gli gli – ich freu mi uf euch!!!
wie mächtig, wie wundervoll sooo grandios, all die Kräfte in den Meeren und den Himmeln und Euch und
Uns zwischendrin so stark wahrzunehmen diese Energien der Klänge und Farben etc.:-)))
DANKE mit liebevollen Umarmungen ihr geliebten Wesen, für All diese Gestaltungen von Fotos und Texten
und DANKE, dass ihr so sehr im “Weltenklang” mit Eurer Liebe mitwirkt :-)))))))))) Und SEID.:-))
MaGrosIREs. PS. Die Langohren warten voller Freude auf Euch :-))))))))))) und auch die mit kleinen Ohren.
Wieder ein Mal konnte ich Euren tollen Reisebericht lesen und die wunderschönen Fotos geniessen.
Ich hoffe, dass ihr noch einige erholsame Tage geniessen könnt vor Eurer Heimkehr. Ihr musstet die schöne Landschaft und die vielen Begegnungen doch oft hart erstrampeln.
Ich freue mich Euch bald gesund und munter wieder zu sehen.
Gute Heimreise und eine grosse Umarmung.
Rita