Die letzte Woche in Usbekistan ist die anstrengendste seit langem: Hügel und Pässe, Hitze und Staub, flauer Magen und schwere Beine, üble Strassen und Gegenwind. Nun gut, vielleicht sind wir auch etwas aus der Veloform gefallen, aber es war tatsächlich unglaublich anstrengend. Und in ganz schwachen Momenten frage ich mich, wie wir zwei Pläuschler dann den Pamir schaffen wollen?! Vom Geholper über die schlechten Strassen schmerzen die Handgelenke und Schultern. Der Gegenwind bleibt uns weiterhin treu, so dass wir jeden einzelnen Tag seit Turkmenistan gegen den Wind fahren müssen. Das sind Tage mit niedrigem Spassfaktor, meint Miguel, und ich muss ihm recht geben. Wären da nicht die vielen freundlichen Menschen in den Dörfern auf dem Land, die uns immer zuwinken, uns einen Platz zum schlafen geben und die Landschaft, die zunehmend schöner wird, wäre der Spassfaktor gleich Null gewesen. Besondere Freude haben wir an den Kindern, die oft an den Strassenrand rennen, um uns zu winken und ihre Hände ausstrecken, damit wir sie beim Vorbeifahren abklatschen. Oder auf ihrem Esel an die Strasse geritten kommen, um uns genauer anzuschauen. Oder uns strahlend auf ihren kleinen Velos bis an das Dorfende begleiten.

Kaum zu glauben: Kaum sind wir in Samarkand von der Hauptstrasse runter, hört der asphaltierte Belag auf. Und die Stadt hat immerhin eine halbe Million Einwohner! Der Präsident gibt seinen Bewohnern wohl lieber goldene Statuen von sich selbst anstelle von anständigen Strassen.

Allgemein ist die Gegend wieder sehr hügelig, nachdem wir einige Wochen in flachen Wüstenregionen unterwegs waren

Unser Wasserkonsum ist gestiegen – um Trinkwasser zu bekommen müssen wir jeweils mühsam Wasser filtern, verschwenden dafür fast kein PET
Wenig mitbekommen haben wir von den Frauen in diesem Land. Ausserhalb der Städte sind sie nur auf den Feldern zu sehen oder im Hof, stets am arbeiten. Oftmals sind ihre Ehemänner in Russland, wo sie auf Baustellen arbeiten und Geld nach Hause schicken. Die Usbeken, die wir unterwegs antreffen oder uns mit ihren Autos überholen, stellen eigentlich nur eine Frage: Atkuda? Woher? Dann fahren sie kommentarlos weiter. Immer noch besser als diejenigen, die uns beim Überholen einfach aus dem Auto heraus anschreien. Ob das eine übliche Grussform ist in Usbekistan, haben wir leider nicht herausgefunden. Für uns klingt es eher aggressiv und unangenehm. Dass uns zum ersten Mal auf dieser Reise etwas aus den Taschen geklaut wird (Nivea-Duschmittel und unsere Füdli-Sitzcrème – mist!), als wir die Velos für zwei Stunden in einer Hoteleingangshalle deponieren, steigert unseren Enthusiasmus nicht. Auch wenn wir viele freundliche Menschen getroffen haben, besonders auf dem Land, fühlten wir uns nie vollumfänglich wohl und willkommen wie in anderen Ländern. Ich vermisste ganz klar das Lächeln der Menschen, etwas vom Wichtigsten für mich in einem Land, besonders wenn man keine gemeinsame Sprache spricht. Das unterscheidet sich ganz klar vom Iran und hat nichts mit der wirtschaftlichen oder politischen Situation zu tun, denn auch der Iran kämpft mit Isolation und Inflation. Der ständig präsente Polizeiapparat hat auch das seinige dazu beigetragen, dass wir uns wegen der Willkür der Behörden nicht ganz entspannen konnten.

Auch wir sind auf den teils sehr schlechten Strassen langsamer unterwegs als sonst – zudem zerrt der Gegenwind und ungewohnt viele Höhenmeter an unseren Nerven

Auch typisch Zentralasien: Das wohl kratzigste Toilettenpapier der Welt! (in der Schweiz würde das als Karton durchgehen)
So sind wir froh, als wir auf die tadjikische Grenze zurollen. Kurz vor der Grenze müssen wir nochmals übernachten, da unser Visum erst am nächsten Tag beginnt. Verstecke für das Zelt gibt es keine, die ganze Umgebung ist landwirtschaftlich genutzt. So werden wir im letzten Dorf vor der Grenze von der 16-jährigen Aziza angesprochen, die uns zu sich nach Hause einlädt. Sie spricht etwas englisch: You are so modern! meint sie. Modern? Wir fühlen uns nicht gerade so. Aber als wir ins Haus ihrer Eltern kommen erahnen wir, was sie meint. Im äusserst bescheidenen Haus gibt es fast keine Möbel, die Familie lebt von der Milch der Kuh, den Eiern der Hühnern und dem Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten. Der Vater arbeitet noch einige Tage im Monat als Elektriker im lokalen Schulgebäude. So gibt es zum Abendessen selbstgebackene Somsas (Teigtaschen) mit Zwiebeln, Brot und für uns je zwei Eier. Zum Frühstück gibt es Kartoffeln und Eier. Der Vater erzählt uns, dass mindestens die Hälfte aller Männer im Dorf in Russland arbeitet, denn hier gibt es keine Jobs. Sein Bruder und seine Schwester arbeiten auch beide in Russland, wir nehmen an, dass sie ihm etwas Geld nach Hause schicken.
Als ich nach dem Essen auf die Toilette muss, frage ich Aziza wo die denn ist. Sie nimmt die Taschenlampe und meint Come with me! Oftmals ist das Klo ausserhalb der Häuser und auch hier ist es so: Quer durch den Garten über den kleinen Bewässerungskanal taucht im Lichtkegel der Taschenlampe ein Holzhäuschen auf. Here it is, you can go in meint Aziza und wartet draussen. Im Boden ist ein Loch eingelassen, es stinkt abartig, das Klopapier kratzt. Die Zähne putzen wir uns nachher auf dem Hof vor dem Haus, spucken den Schaum ins Gras, spülen uns den Mund mit Wasser aus einem Kübel, denn fliessend Wasser hat das Haus nicht. Ja, wenn ich dann an unsere Wohlfühl-Badezimmer zu Hause denke, komme ich mir plötzlich wieder sehr modern vor.
Am Tag darauf überqueren wir die Grenze. Wir treffen ein Radlerpaar aus Österreich, beide sind 51 Jahre alt und für 3,5 Monate in den Stans unterwegs. Es ist ihre erste Veloreise und wir lernen, es ist also nie zu spät um eine Veloreise zu beginnen! Die Tadjiken heissen uns freundlich willkommen in ihrem Land, die Einreise ist problemlos. Da ihre Sprache mit Persisch verwandt ist, können wir endlich unser Persisch wieder anwenden, denn mit Russisch – wir geben es zu – tun wir uns sehr schwer.
Tadjikistan wirkt auf den ersten Blick ärmer als Usbekistan, die Häuser sind noch heruntergekommener, es sind weniger Kühe und Esel zu sehen. Die Menschen sind zurückhaltender, aber sympathisch. Mit starkem Gegenwind kämpfen wir uns auf der übelsten Strasse in Richtung Dushanbe und können kaum glauben, dass es noch eine Steigerung einer üblen Strasse gibt. Kilometerlang sind die Baustellen und die Staubportion für unsere Lungen ist so gross, dass wir danach noch tagelang husten. In Dushanbe kommen wir bei Christine unter, einem Warmshowers Kontakt. Sie ist Französin und arbeitet für eine NGO.
Dushanbe, eine kleine entspannte Hauptstadt, gefällt uns sehr gut. Wir haben aber nicht viel Zeit zum Pläuscheln, sehr ungewohnt für uns. Zum ersten Mal seit 13,5 Monaten sind wir im Stress, ein komisches Gefühl und irgendwie unangenehm-altbekannt. Da uns die tadjikische Botschaft in Teheran nur 30 Tage gegeben hat anstelle von 45 Tagen, zählt für uns jeder Tag hier in diesem Land. An drei Stellen versuchen wir eine Visumsverlängerung, aber es heisst immer Njet, njet, njet. So bleibt es bei diesen 30 Tagen und wir müssen unseren gewohnten Coffee-drinking-Pace etwas erhöhen.

Freudige Überraschung! Nachdem wir bereits in Samarkand ein Paket erhalten haben (Danke nochmals, Monika!), dürfen wir in Dushanbe ein Fresspaket aus der Schweiz abholen. Säble, du bisch die bescht!
Dafür haben wir das perfekte Timing: Die vergangenen zwei Wochen war die Pamirregion um Khorog wegen Unruhen geschlossen und keine Permits wurden ausgestellt (Gruss an Janine von Trittumtritt – hoffentlich ist 2014 nicht 2012!). Nun scheint alles wieder ruhig zu sein und die Bewilligungen werden ausgestellt. Wir müssen hier in Dushanbe aber nicht nur das Permit organisieren, sondern vieles andere muss noch eingekauft werden, denn wir verschwinden nun für einen Monat ins Hochgebirge des Pamir und werden so abgelegen sein, wie noch nie in unserem Leben.
So beschränken wir schweren Herzens die Coffee&Cake Besuche im Segafredo Café auf ein Minimum und versuchen, möglichst effizient unsere Liste abzuarbeiten (was gar nicht so einfach ist, wenn man seit einem Jahr in den Tag hinein lebt!): Permit für den Pamir organisieren, Essensvorräte, Linsenmittel, Sonnencrème kaufen, ein neues Pedal für Miguels Velo finden, Medikamente überprüfen…bald geht es schon weiter und eine der anstrengendsten Etappen steht uns bevor. Das Pamir-Hochplateau an der Grenze zu Afghanistan liegt auf 3’500-4’000m, der höchste der fünf Pässe über 4’000m ist 4’655m hoch. Lenkt euch also mit der WM ab, wenn ihr in den kommenden Wochen nicht viel von uns hören werdet!
Hoi Travelos
Wow…was ihr wieder alles erläbet. Ich stuun und bi ächt beidruckt, was ihr machet und durestönd. Bi däm staub und dene strosse hätt e mänge ufgäh und wär eifach mitem flugi oder so witer.
d tafele mit “Achtung vor allem” isch jo dr hammer. so luschtig. und zum wc-papier sag i nume “autsch”.
D Bilder vo de bärge erinnere mi luschtigerwiis chli an Ecuador…so Dinosaurier-bärge. weisch no was i mein, Nora?
Gäbet sorg im Pamir und gönds ruhig a.
en umarmig
Jo diesmol hämer rächt miesse bisse und ich ha mi paar mol gfrogt, wie s Pläuschler-Küenzlis denn dr Pamir wänd schaffe! und stimmt, in Ecuador hets au so Berge gha! In dene Berge do gits sogar no Dinosaurierspure aber mir händ zwenig Energie gha zum sie go sueche. Das kasch denn du mol mitem Bob mache 🙂
Umarmig und gniess jede Sunnedag!
ouuu…die spure würd ich ächt gärn go sueche. ich frog dr bob mol, öb mer d summerferie wänd umplane 🙂
aber ihr schaffet das scho mitem Pamir und wenn nit, wird euch sicher en gueti lösig ifalle…ihr händ scho so viel gschafft.
umarmig
Unseri Liäbä,
Merci für en wytere spannende Bricht!!! Schön gohts euch trotz Hitz, Gegenwind und däm (!!!!) WC-Papier guet. Mir sind au grad am Liste abarbeite! Dien grad unsere Trip nach Schwede vorbereite. Unseri Müesli-Schüsseli vo Sardinie chömme also wieder mol zum Isatz, Nora!!!
Hebet fescht Sorg im Pamir!
Mir drugge euch gaaaanz fescht!
Schmutz
C & F
Hey dir zwei liebe!
Eimol meh darf ich e unglaublich spannende Bricht über e Region uf dere Wält läse, wo mir irgendwie total ab em Radar gheit… Ich weiss zwar, dass es die Stans git, aber ebe, das isch es denn scho gsi!
Wie schaffed ihr das, uf dene Schotterstrosse näbe dene Lastwäge verbi z fahre, das muess Nase putze e ziemlich schwarze Belag gäh… 🙂
Gfalle händ mir au die Bilder mit euchne Begägnige, für das isch jo s Veloreise würklich genial! Faszinierend find ich au immer wieder, dass die Mensche, wo am wenigste händ, unglaublich vill gäbe (mir händ in Brasilie mol eins vo zäh Hofhüehner vorgsetzt becho und es het kei Widerred gäh gege d Schlachtig vo däm Huehn…)
Genial find ich au euchi Ussag, dass ihr zum “erste Mol sit 13,5 Monet im Stress siged”! Das zeigt doch einisch meh, dass ihr’s genau richtig mached und ich wünsch euch, dass ihr euches Sattelläbe no laaaaaang chönned gniesse…
Unglaublich, uf weli Höhe ihr jetzt wärdet fahre… 4655m… Das isch sogar 21m höcher, als d Dufourspitze… Wünsch euch nid z dünni Luft, kei Diebstähl meh, kei Staubstrosse und witerhin ganz e gueti Zit z zweit mit euchne Stahlrösser 🙂
Hebets guet und gänd Sorg, e grossi Umarmig (au vo Re&Mau)
Peee
Do mues ich no schnäll schriebe, bevor ihr vielleicht bald kein Internet-Zugang mehr habt. Schon scheusslich, diese Strassen, dieser Sand und dieser Staub. Und nun wollt ihr soooooo hoch hinaus. Hoffentlich sind dann wenigstens die Strassen besser und ihr habt endlich Rückenwind! Das ist ja purer Wahnsinn: ich habe im Atlas nachgeschaut, da gibt es mindestens 2 Pässe mit über 4000 m, und ihr werdet ganz an der Grenze zu Afghanistan radeln. Wenn ihr es denn schafft, denn das ist ja über-extrem….Aber vielleicht trefft ihr wieder auf einen Iraner, der euch auf seinem Truck eine Weile mitnimmt. (Die Schutzengel sind ja immer mit euch unterwegs) Also dann kann ich nur sagen: Toi-Toi-Toi und dass ich an euch denke. Also mit der WM werde ich mich sicher nicht ablenken, Oh Nei!! Ich werde aus den umliegenden Wohnungen eh hören, je nach Geschrei (Jubel oder Jammern) ob Goal oder nicht Goal. Dann gälte es nur noch nachzuschauen, von welchem Balkon, mit welcher Staatsflagge, das jeweilige Geschrei kommt hi-hi. Tut euch ja keinen Zwang an um Blogs zu schreiben, da ich mir vorstelle, dass ihr mit diesem Abschnitt der Reise schnell “auf dem Hund” seid. (Eine Kurz-Info genügt) Ganz ganz liebe Grüsse, ich denke an Euch! Mary-Jones
Sali zäme
YESSES… habe ich zuerst gedacht, als ich euren Bericht gelesen habe! Zum ersten Mal bin ich froh, nicht mit euch auf der Reise zu sein 😉
Usbekistan liegt hinter euch, und das ist auch gut so. Irgendwie war mir in den letzten Tagen etwas unwohl dabei, euch in diesem Land zu wissen. Die Strassen, der Gegenwind, die Menschen, die Polizei… hmmm…
Aber nun seit ihr ja weitergereist! Die hügligere Landschaft gefällt mir bereits besser 🙂 Der Pamir wird sicher ein riesen Erlebnis für euch! Ich bin gespannt auf die Fotos der unbekannten Landschaft.
Für uns geht es bald auch etwas in die Ferne. Aber sehr zivilisiert 😉 Und leider nur zwei Wochen 🙁
Liebe Grüsse
Claudia
Servus die Dame und Herr
Hoffe ihr seit wohl auf und dass euere “Füdli” (auch ohne Créme) noch gewillt sind die holpprigen Strassen zu “ertasten”.
Kulturel schein ihr in einem wohl eher schon in einem ausgeglicheren Staat angekommen zu sein, wenn es nachwievor noch ein Polizeiregim ist. Da es ja ber breits Kaffee und Kuchen gibt und ihr entspannt in die Kamera blinzelt und die Nägel sauber und gepflegt sind, scheint ihr auf dem “guten Pfad” zu radeln.
Wisst ihr schon ob ihr über Indien oder China weiterreist?
Umarmung
Céd
Ihr Liebe
Puh ha mitglitte bi däm Bricht! Ihr händ jo wirklich Närve! Aber immer schön, vo euch zlese und zwüsse as es euch guet goht! Machets guet ufem Bärg und hebet Sorg – du weisch Nora es kunnt jetzt die Gegend woni Angst bikum! Usfiehrlichs Mail wartet uf di nachem Pamir.
Grossi Umarmig und: Gring ache u trampe!
Anina
Hallooo Ihr Liebe
Juhuuu soo schön vo Euch zghöre. In dem Fall chunt jetzt erscht no die aschtrengendi Tour? I wünsche vo Härze no viiil Schnuuf und hoffentlig isches sooo toll dass äs sich würglig lohnt. Isch au schpeziell so in dä Höchi/Kälti dä Mittsommer, resp. dä Sommerafang fiire. Bin jo so gschpannt uff Eure neue Bricht.
D Reise/Velo/bärgengel händ jetzt nomol einiges ztue 🙂
viil Schöns und net zkalt. Passed uuf.
Liebi Umarmige