Shiraz Flughafen, 2.30 Uhr: Zu nachtschlafender Stunde warten wir gebannt auf unseren Besuch aus der Schweiz und schauen durch die Glasscheibe zur Türe nach der Passkontrolle. Dann taucht Guido auf, bevor er uns zuwinkt erkennen wir ihn schon von Weitem an seinen Gesten. Endlich sind sie da! Wie schön es ist, sie wieder zu sehen. Es vergeht zwar noch eine weitere Stunde, bis wir sie in die Arme schliessen können und wir durch das nächtliche Shiraz in unser Hotel zurück düsen, um noch ein paar Stunden zu schlafen. Der Einstieg in das iranische Leben ist für sie sanft, denn am nächsten Tag ist Freitag. Was bei uns Sonntag ist, bedeutet hier weniger Chaos, weniger Verkehr, weniger Menschen auf den Strassen, weniger Fragen die beantwortet werden müssen, weniger Posieren für Fotos. Dennoch sehen sie eine andere Welt vor sich und oft erinnert es uns an unsere ersten Iran-Tage in Tabriz, als wir völlig überfordert waren.
Es ist Frühling geworden in Shiraz und die vielen Bäume tragen nun hellgrüne Blätter, die iranischen Familien sitzen Glacé essend im Park, überall finden sich farbige Blumen. Obwohl es um einiges schöner ist als bei unserem letzten winterlichen Besuch finden wir immer noch, dass der Name der Stadt um einiges mehr verspricht als die Stadt selbst.
Mit Guido und Franziska spazieren wir durch die Stadt, beantworten Fragen, posieren für Fotos, schlendern durch den Bazaar, schauen dass sie das komplizierte Geldsystem durchblicken und zeigen ihnen, wie man möglichst unversehrt die Strassen überquert (nicht ganz einfach im Iran!). Obwohl sie vor der Ankunft in Shiraz bereits eine Woche in Istanbul waren fällt uns auf, dass sie vieles bemerken, was für uns selbstverständlich geworden ist: Die Trottoirs, wo im besten Fall nur ein Plättli fehlt, im schlechtesten Fall auch ein Loch klaffen kann. Die hohen Randsteinbördli, oft von der Strasse durch einen ca. 50cm tiefen Graben getrennt, wo sich Wasser und Abfall sammelt. Motorräder, auf denen nicht ein oder maximal zwei Personen sitzen, sondern 4-5 Personen. Natürlich alle ohne Helm. Der absolut chaotische Verkehr, wobei es ihnen schon nur vom Zuschauen sturm wird. Das Nichts-mehr-Lesen-können, da fast alles auf Farsi angeschrieben ist. Die freundlichen Menschen, die vielen Welcome und Hello. Die dominierende Farbe schwarz der Tschadors. Die Gemüse- und Früchteläden, deren Ware alles andere als Migros-konform ist. Die vielen heruntergekommenen oder baufälligen Häuser. Die vollgestopften Tante-Emma-Läden, die hier vorherrschend sind. Die Bäckerstuben, wo alles Brot noch von Hand gemacht und im Holzofen gebacken wird. Dies sind nur einige Beispiele, und doch erkennen wir an ihrem Staunen und Erstaunen, wie normal ein gewisses Chaos für uns geworden ist und dass wir irgendwie recht weit von der Schweiz entfernt sind, nicht nur geographisch.
Wir besuchen Persepolis, dieses Mal bei herrlichem Sonnenschein und nicht mit Schnee wie bei unserem letzten Besuch. Meine Eltern erinnern sich beide noch an die Feier von 1971 „2’500 Jahre Persische Monarchie“ und sind sehr berührt, als sie nun diesen Ort mit eigenen Augen sehen. Die Ruinenanlage bringt aber beide noch mehr zum Staunen und gemeinsam besichtigen wir nochmals die unglaublich schönen Reliefs der Apadana-Treppe. Guido mit seinem unglaublichen Geschichtswissen bringt uns das achämenidische Reich näher und erzählt und erzählt, bis wir ihn stoppen müssen.
Mit dem Bus fahren wir nach Yazd, entlang der Strecke die wir zuvor mit dem Velo gefahren sind. Wie rasch doch ein Bus vorwärtskommt, wie mühelos er den Berg hochfährt! Wir zeigen ihnen, wo wir übernachteten und wie weit man in einem Velotag kommt. Im Schnitt braucht der Bus eine Stunde wofür wir auf dem Velo einen ganzen Tag brauchen. Und was in einem Velotag alles passierte, und nun sausen wir recht ereignislos an allem vorbei.
Yazd ist für uns ein wenig wie nach Hause kommen. Wir haben schon so viel Zeit in dieser Stadt verbracht und kommen immer wieder gerne zurück, dies liegt auch am familiären Hotel wo uns schon alle kennen und uns jedes Mal wieder freundlich empfangen. Guido lässt sich sofort persische Sätze von Maliye an der Rezeption aufschreiben. Franziska geniesst den Innenhof und das 24h-Teeangebot. Miguel und ich liegen auf den Diwans und sind einfach nur zufrieden mit dem Leben. In Yazd entdecken wir beim Spazieren auch für uns Neues, finden ein Geigenbauatelier wo uns die 30jährige Geigenbauerin freundlich hereinbittet und uns alles erklärt, was wir wissen wollen. Bei einem Rundgang am frühen Abend schauen wir den Bäckern bei ihrer Arbeit zu, sogleich bekommen wir einen Laib frisches Brot aus dem Holzofen geschenkt. Ein paar Strassen weiter erhält Franziska noch ein weiteres Brot von einem jungen Mann auf dem Motorrad, der etwa 10 Laibe transportiert. Und noch ein paar Strassen weiter schenken uns Frauen kleine Mürbeguetzli, die nach Kardamon schmecken. Etwas später klettern wir auf eine verfallene Moscheekuppel und werden mit einem wunderbaren Blick über die Dächer von Yazd belohnt, auch wir haben noch keinen so schönen Blick über die Stadt gehabt. Die Sonne geht unter und der Muezzin ruft zum Gebet – ein unvergesslicher Moment.

Vor allem Guido begeistern die unzähligen handwerklichen Geschäfte, hier hat sich einer auf Teekocher spezialisiert

Vieles ist aber auch dem Zerfall preisgegeben – das historische Zentrum verfällt zusehends, da das Geld zur Renovation fehlt
In Yazd ist noch heute eine zoroastrische Gemeinde aktiv. Gemeinsam besuchen wir die Türme des Schweigens am Ortsrand von Yazd. Da die Zoroastrier glauben, dass ein Leichnam bei einer Erdbestattung oder Kremation die für sie heiligen Schöpfungselemente Wasser, Luft, Feuer und Erde verschmutzt, wurden auf Hügeln sogenannte Dakhmas errichtet: Steinerne Plattformen mit einer Mauerumrandung, in denen die Leichname in Tücher gehüllt den Geiern zum Frass überlassen wurden. Die übriggebliebenen Knochen wurden danach in eine tiefer gelegene Mulde in der Mitte der Plattform gelegt. Bis 1970 wurden auf diese Weise noch Tote bestattet, dann verbot die iranische Regierung aus hygienischen Gründen das zoroastrische Bestattungsritual. Nun werden zoroastrische Tote am Fusse der Hügel auf einem Friedhof bestattet, wobei der Leichnam in einem Betonkasten bestattet wird, um die Erde nicht zu verunreinigen.
In Yazd treffen wir auch Mohammed wieder. Mit ihm und seiner Familie haben wir bereits vor unserer Abfahrt mit dem Velo nach Shiraz einen lustig-anstrengenden Abend verbracht und in fünf Stunden rund 40 Personen kennengelernt. Ich wurde beim Abendessen gleich von den etwa gleichaltrigen Frauen belagert und stellte erstaunt fest, dass die Frauen untereinander weder Berührungsängste noch Tabufragen kennen. Zum Glück bin ich auch eine Person, die direkte Fragen schätzt, ihr Gegenüber beim Sprechen oft berührt und fühlte ich mich daher mit diesen Frauen sehr wohl und schätzte ihre Nähe. Die Gespräche mit ihnen waren sehr spannend: Alles interessierte sie über mich, ob ich vom vielen Velofahren nicht müde sei? Ob bei uns zuhause alle Frauen velofahren? Wie viele Stunden wir normalerweise arbeiten pro Tag? Wie Hochzeiten in der Schweiz ablaufen? Warum ich keinen Goldschmuck trage? Ob Miguel mir vielleicht keinen schenkt?? Und dann wurde es persönlicher: Drei Jahre verheiratet und noch keine Kinder…wie wir verhüten? Ob Sex vor der Ehe üblich ist in der Schweiz? Wann war das erste Mal? Und noch weitere Fragen…ja, seeehr persönlich! Ihrerseits tauschten sich die Frauen offen aus, schämten sich weder für ihre Fragen noch für ihre Antworten. Ich merkte, dass in einem Land wo alle Internetseiten, die Auskunft über ein intimes Thema geben könnten, zensiert sind, der Austausch unter Frauen völlig offen und unkompliziert ist. Miguel konnte später kaum glauben, was ich ihm von den Gesprächen in der Frauenecke erzählte. Die Diskussionen in der Männerecke waren eher belanglos gewesen.
Dieses Mal lädt Mohammend uns ein, den Freitag (seinen Sonntag) mit ihm in seinem Garten im 25km entfernten Mehriz zu verbringen. Wir sagen gerne zu und verbringen schöne Stunden in seinem kühlen Garten, dieses Mal sind nur er und seine Tochter dabei. Wir führen interessante Diskussionen und erfahren so vieles mehr über dieses Land. Er erzählt von den Auswirkungen der Inflation, von Bankzinsen von 22%, von den religiösen Führern dieses Landes….ständig fallen uns neue Fragen und Themen ein. Wir erfahren, dass der 42jährige Mohammed seinen Vater siezt und er auch Guido und Franziska siezt, da sie älter sind als er selber und in der iranischen Kultur ältere Menschen einen besonderen Respekt verdienen. Guido wird stets mit Herr Guido angesprochen, Franziska ist Haji Khanum, eigentlich ein Ehrentitel für ältere Frauen die die Pilgerreise Hadsch nach Mekka gemacht haben. Besonders für meine Eltern ist es sehr informativ, da Mohammed gut Deutsch spricht, denn er wohnte während 17 Jahren in Deutschland. Typisch iranisch gibt es erst um 23.00 Uhr Abendessen, aber davor haben wir sie gewarnt!
Die Umstellung von einer Zweier- auf eine Vierergruppe fällt uns leicht. Unkompliziert wie meine Eltern sind passen sie sich gut unserem Reiserhythmus und unserem Preisniveau an. Auch sie sitzen gerne irgendwo und beobachten das Leben. Sie bereichern unsere Gespräche, Guido erneuert und vergrössert unermüdlich unser Geschichts- und Religionswissen, sie weisen uns mit ihren Bemerkungen und Beobachtungen auf für uns Normal-Gewordenes hin. Es ist schön, sie hier zu haben und mit ihnen den Iran zu bereisen. Ein schöner Nebeneffekt sind auch die mitgebrachten Leckereien aus der Schweiz, nach dem eintönigen iranischen Abendessen gibt es feine Schoggi und Basler Läckerli zum Dessert. Was für ein Genuss! Danke für die Mitbringsel!
Die Fahrt nach Esfahan unterbrechen wir mit einem Stopp in Na’in und besuchen die Freitagsmoschee. Durch die Alabastersteine fällt das Licht in den unterirdischen Gebetsraum, wo es in den heissen Sommermonaten rund 20 Grad kühler ist als draussen. Über die Felder spazieren wir zum Dorf Mohammediye, das Grün der Getreidefelder erscheint durch die braune, kahle Umgebung noch grüner. Im Dorf finden wir einen Weber, der auf einem traditionellen Webstuhl Teppiche herstellt und uns bei seiner Arbeit zuschauen lässt. Bei dem Besuch der verfallenen Lehmburg oberhalb des Dorfes sehen wir, dass die Burg auf einem rot-grün-farbigen Steinhügel steht und beobachten von dort oben, wie ein Mann auf einem Esel die Geissenherde des Ortes zurücktreibt und sich am Dorfeingang die Tiere selbstständig aufteilen, denn alle Tiere kennen den Weg zurück zu ihrem Stall. Während Franziska und ich zufrieden dasitzen und auf das Dorf und die umliegende Wüste blicken, entdecken Miguel und Guido ganz aufgeregt ihr Flair für Archäologie und finden zahlreiche Keramikstücke, die in und um die Burg zu finden sind.

Die Stimmung wird immer dramatischer, nach kurzem Regenguss und heftigen Windböen ist jedoch alles schon wieder vorbei
Wir sind alle aufgeregt auf Esfahan. Auch für Guido und Franziska ist dieser Städtename ein Traum, der Reisesehnsucht und 1001 Nacht verbindet. Wir zwei können es kaum erwarten, Esfahan im Frühling zu erleben. Und wir werden nicht enttäuscht. Der Naqsh-e Jahan Platz wirft uns erneut um, das satte Grün des Rasens und der Bäume lassen die Gebäude noch prächtiger erscheinen. Nur hat es dieses Mal auch viel mehr Touristen. Dieser Platz ist auch fast der einzige im ganzen Iran, wo uns Teppichhändler aktiv angehen und ansprechen. Ismael, einer dieser Teppichhaie, glaubte uns beim letzten Besuch im Dezember erst am 5. Tag, dass wir wirklich keinen Teppich auf unserem Velo transportieren wollen und auch keinen nach Hause schicken werden, auch wenn das Porto „nur“ 35 Euro ist. Als er nun uns vier beim ersten Besuch auf dem Platz sieht und das grosse Geschäft wittert da meine Eltern im besten Teppichkauf-Alter sind, textet ihn Guido in fliessendem Altgriechisch zu, so dass er kurzerhand von uns ablässt! Aha, so macht man das also. Aber verglichen mit anderen Orten dieser Welt ist der Platz trotzdem noch herrlich untouristisch, ausser von den paar Teppichhaien werden wir in Ruhe gelassen. Natürlich abgesehen von den neugierigen Iranern und Iranerinnen, die uns immer wieder ansprechen und uns willkommen heissen.
hoi Travelos, Franziska und Guido!
Danke vielmol für dä Bricht. Wieder emol en spannendi Sach und jetzt au nochli unter eme andere Blickwinkel.
Ich find die Krimskrams-Lädeli, wie zum Bispill dä Teekannelade super. Die würd ich au emol gärn gseh.
Gniesset die nöchst Wuche no zu viert und lönds euch guet go!
Umarmig an alli
Hallöchen
Wieder viele wunderschöne Fotos mit zusätzlich zwei sehr bekannten Gesichter 🙂 Für Guido und Franziska ist es sicher eine tolle Erfahrung, durch euch Reiseleiter den Iran kennen zu lernen.
Ich bin sehr gespannt, wie ihr Ostern feiern werdet.
Liebi Grüess ond schöni Oschtere
Claudia
Hallo Ihr Vier! Viele Dank für dä interessanti Itrag, mir läse immer gern Euri Bricht. Mir wünsche Euch gueti Wieterreis, schöni Ostern und esse für Euch en Osterhase mit! Liebe Gruess, C+F
Hallo Ihr vier dort im fernen Iran. Die Fotos und der Bericht sind umwerfend, es muss echt toll sein, was Ihr erlebt. Gedanklich bin ich bei Euch. Ich wünsche Euch noch eine super Zeit zu viert und freue mich, bald in der Salmonstreet die Hälfte von Euch wieder zu treffen :-).
Herzlichen Gruss
Marianne